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Von dem Masse oder der Quantität der Silben.

Vorbemerkung. Bei der Bestimmung von dem Masse oder der Quantität der Silben wird die kurze Silbe zu Grunde gelegt und ihr eine Zeitweile (χρόνος oder mora) zugeteilt. Eine lange Silbe enthält also zwei Zeitweilen und wird zwei kurzen Silben gleich geachtet. So wenigstens in der Metrik; übrigens wussten die Alten sehr gut, dass diese künstliche Scheidung in zwei Kategorien den thatsächlichen Verschiedenheiten der Quantität nicht gerecht wird. Vergl. Dionys. Halic. de compos. p. 85 ff. R., der dies so ausführt: 1) kurze Silben a) ὁ-δός), b) Ῥό-δος), c) τρό-πος), d) στρό-φος); 2) lange Silben a) η, (b) λη, c) πλη, d) πλην, e) σπλήν. Also gebe es, sagt er, sowohl βραχύτεραι τῶν βραχειῶν, als μακρότεραι τῶν μακρῶν. In den Scholien zu Hephästion (p. 93 Westph.) wird mit Berufung auf die Rhythmiker (d. i. wohl Aristoxenos) eine genauere Messung versucht, indem ein Konsonant gleich einer halben Mora gerechnet wird: die Silbe ῶς῀ hat darnach 2 1/2 Zeit, σπλήν würde auf vier Zeiten kommen. S. auch Aristid. Quint. p. 29 Jahn (45 Meibom).

Eine Silbe ist von Natur kurz (φύσει βραχεῖα), wenn der Vokal derselben ein kurzer (ε, ο, α^, ι^, υ^) ist, und wenn auf den kurzen Vokal entweder wieder ein Vokal oder ein einfacher Konsonant folgt, als: ἐνόμισα (4 kurze Silben). Der Vokal ist nämlich so sehr Silbenträger, dass für die metrische Messung mit ihm erst die Silbe anhebt; was ihm vorhergeht, wird dem Vokale der vorhergehenden Silbe zugeschlagen, oder (im Anfange des Verses) ganz ignoriert.

Eine Silbe ist von Natur lang (φύσει μακρά), wenn der Vokal derselben ein einfacher langer (η, ω, , , ) oder ein Diphthong ist, als: ἥρως, γέφῦρα, καινούς. Länge ist natürlich stets auch, wenn zwei Vokale in einen zusammengezogen sind, als: ἄ̂κων (entst. aus ᾿α^έκων), ἰχθύ̂διον (entst. aus ἰχθυ-ίδιον), auch ἆργός (entst. aus ἀεργός).

Eine Silbe mit einem kurzen Vokale wird lang durch Position (θέσει), d. h. Stellung ihres Vokals (nach dem ursprünglichen Sinne der Bezeichnung aber, wie Westphal meint, durch Satzung und arbiträre Festsetzung der Dichter), wenn auf den kurzen Vokal zwei oder mehr Konsonanten oder ein Doppelkonsonant (ζ ξ ψ) folgen, als: στέ̂λλω, τύ̂ψᾶντες, κόρᾶξ (κόρα^κος), τράπε̂ζα. Der Vokal bleibt kurz, die Silbe aber erhält dadurch eine längere Dauer, dass die Konsonanten bis zum nächsten Vokal ihr zugeschlagen werden (oben 1).

Anmerk. 1. Die Regel für die lateinische Sprache: “vocalis ante vocalem corripiturgilt für die griechische Sprache nicht, als: ἆήρ, ἆερός. Doch s. § 75, 12, Anm. 8 und 13.

Anmerk. 2. Die Aussprache einer von Natur langen und einer durch Position langen Silbe unterscheidet sich dadurch, dass jene mit gedehntem Vokale ausgesprochen wird, diese dagegen nicht. Wenn sich die natürliche Länge mit der Positionslänge vereinigt, so muss natürlich der Vokal nicht minder gedehnt ausgesprochen werden. Man unterscheidet daher in der Aussprache Wörter, wie πράττω, πρᾶγμα, πρᾶξις (α_) und τάττω, τάγμα, τάξις (α^).1

Anmerk. 3. Wann vor Doppelkonsonanten bezw. vor zwei Konsonanten die Vokale α ι υ lang oder kurz sind, entzieht sich im allgemeinen der Regelung; oft zeigt es der Accent an. Vor ξ sind ι und υ kurz, ausser in augmentierten Formen wie ἴξευον und wenigen einsilbigen Substantiven, s. § 120, 2. § 253, 6; also κῆρυ^ξ κήρῦκος κήρυ^ξι, ἐκήρυ^ξα, πνι?́ξω v. πνίγω u. s. w. Meistens sind auch vor ζ die Vokale α ι υ kurz; Ausnahmen bei α: Ἀμᾶζών, ἀλᾶζών, μᾶζα Hdn. I, 28. 522. II, 14, κρά̂ζω, (ἀγορά̂ζω att. in der Bedeutung ἐν ἀγορᾷ διατρίβω, aber ὰγορα?́ζω kaufe), äol. πλά̂ζω πτά̂ζω = πλήσσω πτήσσω, Hdn. II, 929 u. s. Man merke auch ἆργός (aus ἀεργός; aber ἀργός glänzend), ἄ̂ρδην (aus ἀέρδην), ἄ̂ρδω, Hdn. II, 17 (dagegen α?̓́σθμα das. u. s., während Il. o, 241 ἆσθμα steht); ferner πί̂πτω ῥί̂πτω, das. II, 10 u. s. § 343.

Ein kurzer Vokal vor einer Muta cum Liquida (positio debilis) ergibt, wie die Grammatiker (Dionysius Thrax) und Metriker sagen, eine συλλαβὴ κοινή (anceps), d. h. er macht in der Regel (insbes. im Attischen) die Silbe nicht lang, als: ἄτε^κνος, ἄπε^πλος, ᾿α^κμή, βό̂τρυς, δίδρα^χμος, ausser in Zusammensetzungen, wenn die Muta und Liquida zwei Wörtern angehören, als: ᾿ε̂κνέμω, ᾿ε̂κ ῥεύματος (wo ἐκ für ἐξ steht). Die näheren Bestimmungen dieser Regel s. § 75, 2. 3. 4. Von Haus aus sind auch diese Silben lang gewesen, wie sich in der Homerischen Behandlung und auch in der gewöhnlichen Sprache bei den Komparativen und Superlativen zeigt: πικρότατος wie οἰκτρότατος, nicht πικρώτατος wie σοφώτατος. Siehe § 154. Der Grund der Kürzung aber, welche auch im Lateinischen das Althergebrachte ist (darum ténebrae, accípitris, nicht tenébrae, accipítris), liegt (wie Hartel sagt) darin, dass das Organ unmittelbar aus der Lösung des Verschlusses (Muta) in die Verengung (Liquida) übergeht, ohne eine solche messbare Pause, wie sie zwischen zwei Explosivgeräuschen ist, und indem das Anklingen, welches die Liquida begleitet, auf ein Minimum beschränkt wird.2) Übrigens versteht es sich von selbst, dass ein von Natur langer Vokal vor einer Muta c. Liq. nicht kurz gemacht werden kann, als: μήνῦτρον.

Eine Silbe, deren Vokal einer der drei doppelzeitigen (α ι υ) ist, kann darum nicht etwa in demselben Worte bald kurz, bald lang ausgesprochen werden, sondern muss entweder kurz oder lang sein. Über die Freiheit der Dichtersprache s. § 75, 5. 6. Die Bestimmung der Quantität von α ι υ geschieht durch die Autorität der Dichter oder durch Überlieferung alter Grammatiker oder Lexikographen.

Die von einem Worte abgeleiteten Wörter haben in der Regel mit demselben gleiche Quantität; jedoch werden wir in der Formenlehre manchen Abweichungen von dieser Regel begegnen, als: μῦς, σῦς, ὗς, πῦρ, μῦν, σῦν, ὗν, aber in den zweisilbigen Kasus und in den abgeleiteten Kompositis υ^, als: μυ^ός, μυ?́ες, μυ^οκτόνος, συ^ός, συ?́ες, συ^βώτης, πυ^ρός, πυ^ράγρα u. s. w.; namentlich wird oft im Präs. der Stammvokal gedehnt, als: τρί̂βω, aber τρι^βῆναι, τρι^βή, διατρι^βή, ἀτρι^βής, παιδοτρι?́βης, κρί̂νω, aber κρι?́σις, κρι^τής, εὐκρι^νής, κλί̂νω, aber κλι?́σις u. s. w.(Smyth 142)

1 S. Lobeck Paralip. p. 399 sqq.

2 Hartel, Hom. Stud. I^{2}, S. 45.

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