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485. B. Partizip als Ausdruck adverbialer Verhältnisse der Zeit, der Kausalität und der Art und Weise.

Zweitens wird das Partizip gebraucht zur Bezeichnung einer solchen attributiven Bestimmung eines Substantivs, durch welche zugleich das Prädikat des Satzes näher bestimmt wird. In diesem Falle bezeichnet das Partizip die adverbialen Verhältnisse der Zeit, des Grundes, des Beweggrundes oder der Absicht, der Bedingung und Einräumung, der Art und Weise, des Mittels und überhaupt eines Nebenumstandes. Es unterscheidet sich von dem wirklich attributiven Partizipe oder Adjektive dadurch, dass es nie zwischen dem Artikel und dem Substantive steht oder mit dem Artikel dem Substantive nachfolgt (s. § 463, 3), sondern stets ohne Artikel dem Substantive nachfolgt oder vorangeht, da es sich überall in ein Prädikat auflösen lässt, z. B. παῖς γράφων oder γράφων παῖς, der Knabe, wenn, indem, da, weil er schreibt (schrieb), τοῦ παιδὸς γράφοντος oder γράφοντος τοῦ παιδός, puero scribente, als, da, weil der K. schreibt, schreib; hingegen γράφων παῖς od. παῖς γράφων od. παῖς γράφων, der schreibende Knabe, τοῦ γράφοντος παιδός, des schreibenden Knaben.

In Ansehung der Form unterscheidet sich dieses Partizip nicht von dem bis jetzt betrachteten Partizipe, indem es sich ebenso an ein Substantiv anlehnt und mit demselben kongruiert (§ 480); in Ansehung der Bedeutung aber entspricht es dem Gerundium anderer Sprachen, das eine von dem Partizipe unterschiedene Form hat1), wie im Altdeutschen, z. B. die Zorn furchtendo habe ich gemeinet, im Ital., z. B. scrivendo, im Span., z. B. viendo; das indische Gerundium entspricht dem Ablative des lateinischen Gerundiums in do (auf die Frage wodurch?), hat die Form des Instrumentalis und drückt die Beziehungen des Mittels, Werkzeugs, der Ursache, sowie überhaupt eines einer Handlung Vorangehenden aus2); die lateinische Sprache besitzt zwar ein Gerundium, bedient sich aber zur Bezeichnung der oben angegebenen adverbialen Verhältnisse gemeiniglich des Partizips. Im Deutschen werden diese Verhältnisse häufiger durch ein Substantiv mit einer Präposition oder durch Nebensätze als durch das Partizip ausgedrückt.

Die griechische Sprache hat für diesen Gebrauch des Partizips zwei Konstruktionen; die eine nennen wir Participium coniunctum oder bezügliches Partizip, die andere Genetivi absoluti. Da sich ein solches Partizip in einen Nebensatz auflösen lässt, so kann der Unterschied dieser beiden Konstruktionen auf folgende Weise erklärt werden:

a) Das Participium coniunctum wird gebraucht, wenn das Subjekt des Nebensatzes entweder Subjekt oder Objekt des Hauptsatzes ist. In diesem Falle stimmt das Partizip im Genus, Kasus und Numerus mit dem Subjekte oder Objekte überein. Οι᾽ πολέμιοι φυγόντες ὑπὸ τῶν πολεμίων ἐδιώχθησαν, als die Feinde flohen, wurden sie von den Feinden verfolgt. Τοῖς Πέρσαις εἰς γῆν εἰσβαλοῦσιν οἱ Ἕλληνες ἠναντιώθησαν, als die Perser ins Land eingefallen waren, traten ihnen die Hellenen entgegen.

b) Die Genetivi absoluti werden gebraucht, wenn der Nebensatz sein besonderes Subjekt hat, das im Hauptsatze nicht vorkommt. (Ausnahmen § 494 b.) Alsdann steht das Subjekt des Nebensatzes im Genetive, dem das Partizip gleichfalls im Genetive beigefügt ist. Τῶν σωμάτων θηλυνυμένων καὶ αἱ ψυχαὶ πολὺ ἀρρωστότεραι γίγνονται X. O. 4.2, wenn die Körper verweichlicht werden, werden auch die Seelen weit schwächer.

Anmerk. 1. Das Participium coniunctum stellt zuweilen wie im Lateinischen (occisus Caesar aliis pessimum, aliis pulcherrimum facinus videbatur) den Hauptbegriff der Aussage in der Weise dar, dass es einem verbalen Substantiv oder einem substantivierten Infinitive entspricht. Hdt. 1.31 μετὰ Σόλωνα οἰχόμενον, nach Solons Weggange. Vgl. 6, 98. Lys. 1.7 πάντων τῶν κακῶν ἀποθανοῦσα ( μήτηρ) αἰτία μοι γεγένηται, ihr Tod. Eur. Hel. 74 Αἴας μ̓ ἀδελφὸς ὤλεσ᾽ ἐν Τροίᾳ θανών, ubi v. Pflugk. Th. 3.20 τῷ σίτῳ ἐπιλιπόντι ἐπιέζοντο, = τῇ ἐπιλείψει. 3, 29 ἡμέραι ἦσαν τῇ Μυτιλήνῃ ἑαλωκυίᾳ ἑπτά, seit dem Falle von M. 4, 29 αὐτῷ ἔτι ῥώμην καὶ νῆσος ἐμπρησθεῖσα παρέσχεν, = τὸ ἐμπρησθῆναι τὴν νῆσον. 6, 46 αὐτοῖς τοῦτό τε πρῶτον ἀντεκεκρούκει καὶ οἱ Ρηγῖνοι οὐκ ἐθελήσαντες ξυστρατεύειν, = τὸ τοὺς . μὴ ἐθελῆσαι. 6, 80 δἰ ὑμᾶς μὴ ξυμμαχήσαντας, = διὰ τὸ ὑμᾶς μὴ ξυμμαχῆσαι. 3, 36 προσξυνεβάλετο . . αἱ Πελοποννησίων νῆες ἐς Ἰωνίαν ἐκείνοις βοηθοὶ τολμήσασαι παρακινδυνεῦσαι, = τὀ τᾶς ναῦς τολμῆσαι, daher das Prädikat im Singulare. Ebenso 4, 26 αἴτιον δὲ ἦν οἱ Λακεδαιμόνιοι προειπόντες, vgl. 8, 9. Andere Beispiele § 486, Anm. 33).

Anmerk. 2. Statt der Partizipialkonstruktion können auch im Griechischen entweder des grösseren Nachdruckes oder auch der Deutlichkeit wegen Nebensätze gebraucht werden.

Anmerk. 3. Die Entstehung des Genetivus absolutus ist auf eine ähnliche Verschiebung des syntaktischen Zusammenhangs zurückzuführen wie die Entwickelung des Accusativus cum infinitivo (§ 475, 3). In Sätzen wie *q, 118 τοῦ δ̓ ἰθὺς μεμαῶτος ἀκόντισε Τυδέος υἱός oder *d, 494 τοῦ δ̓ Ὀδυσεὺς μάλα θυμὸν ἀποκταμένοιο χολώθη schliesst sich der Genetiv als Genetiv des Ziels oder als ablativischer Genetiv der Ursache an das regierende Verbum an (auf diesen schoss er, als er vorwärts stürmte; um dessen willen war er ergrimmt, da er getötet war); aber zugleich bildet er das Subjekt eines durch das Partizip vertretenen Nebensatzes (er schoss, als dieser vorwärts stürmte; er ergrimmte, als dieser getötet war). Je mehr das Gefühl hierfür im Sprachbewusstsein wirksam wurde, desto mehr lockerte sich der grammatische Zusammenhang zwischen dem Genetive und dem Verbum, und man wandte nun den Genetiv mit dem Partizip auch da an, wo eine Abhängigkeit von dem übergeordneten Satze nicht mehr vorhanden ist, also nach Verben, mit denen ein Genetiv nicht verbunden werden kann, wie u, 232 σέθεν ἐνθάδ᾽ ἐόντος ἐλεύσεται οἴκαδ̓ Ὀδυσσεύς4). Die so überaus mannigfaltige Verwendung des Genetivs und namentlich die grössere Unabhängigkeit, die er z. B. als Genetiv der Zeit (§ 419, 2) und als Genetiv der Ursache (§ 420, 1) gewonnen hat, machen es erklärlich, dass gerade dieser Kasus zum absoluten Kasus wurde. Die lateinische Sprache gebraucht Ablativi absoluti, weil im Lateinischen jene Verhältnisse durch den selbständiger auftretenden Ablativ ausgedrückt werden. Das Gotische und Althochdeutsche haben Dativi absoluti5), als: Du weist mir svigentemo waz ih leid (me tacente), das Nhd. und die romanischen Sprachen Accusativi absoluti, als: kaum das Wort geredet, keinen ausgenommen, fatto, detto questo, operti gli occhi, durante la guerra, cela dit.

Anmerk. 4. Genetivi absoluti werden nie gebraucht, wenn die durch das Partizip ausgedrückte Handlung auf das Subjekt zu beziehen ist, sondern in diesem Falle wird immer das Participium coniunctum gebraucht; anders verhält sieh die Sache im Lat. wegen des Mangels an aktiven Partizipien, z. B. milites urbe diruta in castra se receperunt, οἱ στρατιῶται τὴν πόλιν καθελόντες εἰς τὸ στρατόπεδον ἀνεχώρησαν.(Smyth 2054)

1 S. K. F. Becker ausf. Deutsche Gramm. II. § 254. Organism. § 94.

2 S. Bopp Konjugationssyst. S. 43 ff.

3 Stahl im Rhein. Museum N. F. 54 (1899) S. 150 f. u. S. 494 f. bringt u. a. noch folgende Belege bei: Hdt. 8.131 τοὺς Ἕλληνας τό τε ἔαρ γινόμενον ἤγειρε καὶ Μαρδόνιος ἐν Θεσσαλίῃ ἐών. Th. 2. 49, 4 μετὰ ταῦτα λωφήσαντα. 6. 3, 3 μετὰ Συρακούσας οἰκισθείσας. 4. 47, 2 τοὺς ἄνδρας ὑπ᾽ ἄλλων κομισθέντας. Pind. P. 1.1, 22 πότερόν νιν ἄρ᾽ Ἰφιγένει᾽ ἐπ᾽ Εὐρίπῳ | σφαχθεῖσα τῆλε πάτρας ἔκνισεν βαρυπάλαμον ὄρσαι χόλον; Ar. N. 1241 Ζεὺς γελοῖος ὀμνύμενος τοῖς εἰδόσιν. Andere Stellen lassen andere Deutungen zu. Vgl. auch Gildersleeve im American Journal of Philol. XIX, S. 463 f.

4 S. Classen, Beobachtungen über den Homerischen Sprachgebrauch, S. 160 ff.

5 S. Grimm IV. S. 896 ff. Vgl. Becker ausf. D. Gr. § 284, S. 225.

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