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547. Haupt- und Nebensatz.

Wenn Sätze, welche, miteinander verbunden, die Einheit eines Gedankens darstellen, sich ihrem Inhalte nach so zu einander verhalten, dass der eine dem andern als ein unselbständiges und bloss ergänzendes Glied inhäriert oder von ihm abhängt und von diesem getragen wird, also dass beide auf das Innigste miteinander verschlungen sind: so kann die Verbindung derselben auf eine zwiefache Weise von der Sprache ausgedrückt werden. Entweder nämlich lässt die Sprache das innere (logische) Verhältnis der Sätze unberücksichtigt und reiht dieselben entweder ohne alles Band oder durch beiordnende Bindewörter, als: τέ, δέ u. s. w., an. Und dieses ist die ursprüngliche Verbindungsform der Sätze in den Sprachen (§ 515 f.), als: τὸ ἔαρ ἐπεγένετο, τὰ δένδρα θάλλει, τὸ ἔαρ ἐπεγένετο, τὰ δὲ δένδρα θάλλει oder τὰ δένδρα θάλλει, τὸ ἔαρ ἐπεγένετο, τὰ δένδρα θάλλει, τὸ δὲ ἔαρ ἐπεγένετο, vgl. Ζ, 147, § 516, 7. Oder die Sprache sucht das innere Verhältnis der Sätze durch besondere Bindewörter, welche dieses Verhältnis bezeichnen, wie γάρ, οὖν, ἄρα u. s. w., auszudrücken, als: τὰ δένδρα θάλλει: τὸ γὰρ ἔαρ ἐπεγένετο oder τὸ ἔαρ ἐπεγένετο: τὰ δένδρα οὖν θάλλει, oder endlich durch die Verbindung der Sätze so darzustellen, dass der Satz, welcher seinem Inhalte nach eine blosse nähere Bestimmung oder eine Ergänzung des andern enthält, auch äusserlich, in Ansehung der Form, als ein unselbständiges, abhängiges, bloss bestimmendes oder ergänzendes Glied des andern deutlich hervortrete, als: ἐπεὶ τὸ ἔαρ ἐπεγένετο, τὰ δένδρα θάλλει oder τὸ ἔαρ ἐπεγένετο, ὥστε τὰ δένδρα θάλλει. Diese Verbindungsweise, in welcher die Sprache ihre wahre Vollendung erhält, nennen wir die unterordnende.

Das Wesen der unterordnenden Verbindung besteht also darin, dass durch dieselbe zwei oder mehrere Sätze in Einen verschmolzen werden, indem ein Satz den oder die anderen, welche ihrem Inhalte nach blosse Bestimmungen oder Ergänzungen desselben ausdrücken, als von ihm abhängige und gleichsam getragene Teile oder Glieder so in sich aufnimmt, dass alle eine organische Einheit der Form darstellen und nur Einen Gedanken des Redenden ausdrücken.

Den Satz, zu welchem der andere als ergänzendes oder bestimmendes Glied gehört, nennen wir den Hauptsatz, den ergänzenden oder bestimmenden Satz aber den Nebensatz, und beide zusammen genommen einen zusammengesetzten Satz, z. B. in: “der Mann, welcher aus dem Lager des Feindes kam, meldete, als die Nacht einbrach, dem Kyros, dass der Feind geflohen seiist: “Der Mann meldeteder Hauptsatz, die übrigen die Nebensätze. Jeder Hauptsatz wird, wenn er auf einen andern Satz bezogen und von diesem abhängig gemacht wird, in Beziehung auf diesen ein Nebensatz, z. B. Xenophon erzählt, dass ein Mann, welcher . ., gemeldet habe, sowie auch jeder Nebensatz, wenn sich aus demselben neue Nebensätze entwickeln, in Beziehung auf diese als ein Hauptsatz angesehen wird, als: dass der Feind, als er vom Kyros Kunde erhalten habe, geflohen sei.

Jeder Nebensatz drückt zwar auch einen besonderen Gedanken aus, enthält dieselben Bestandteile, welche zur Bildung des Hauptsatzes notwendig erfordert werden (Subjekt und Prädikat), und stellt in dieser Hinsicht einen vollständigen Satz dar; aber der in demselben ausgesprochene Gedanke steht nicht für sich und unabhängig da, sondern bildet bloss ein Glied, eine nähere Bestimmung oder eine Ergänzung des Hauptsatzes.

Da die Nebensätze nur bestimmende oder ergänzende Glieder des Hauptsatzes sind und so gleichsam nur Begriffe in der Form eines Satzes darstellen, so entsprechen sie nach ihrem grammatischen Verhältnisse zum Hauptsatze den Gliedern oder Bestandteilen des einfachen Satzes, welche durch das Substantiv, Adjektiv und Adverb ausgedrückt werden, und lassen sich daher als Substantiv-, Adjektiv- und Adverbialsätze unterscheiden1). Insofern nun die Nebensätze in dem zusammengesetzten Satze dieselbe grammatische Geltung haben, welche das Substantiv, Adjektiv und Adverb in dem einfachen Satze haben, so können dieselben als umschreibende Stellvertreter eines Substantivs, Adjektivs und Adverbs angesehen werden. Sowie sich dieselben sehr häufig in Nebensätze erweitern lassen, ebenso lassen sich die Nebensätze häufig auf ein Substantiv, Adjektiv und Adverb zurückführen.

In einem vollständig ausgebildeten einfachen Satze unterscheiden wir fünf Bestandteile: Subjekt, Attributiv, Objekt, Adverb und Prädikat. Alle diese Bestandteile, mit Ausnahme des Prädikats, welches, als die Grundlage des Satzes, auf der die übrigen Bestandteile des Satzes wurzeln, keine Veränderung zulässt, lassen sich durch Nebensätze ausdrücken: a) Substantivsatz als Subjekt: ὅτι Κῦρος τοὺς πολεμίους ἐνίκησεν, ἐπηγγέλθη = der Sieg des K. über die Feinde wurde gemeldet; b) Adjektivsatz: ἄνδρα μοι ἔννεπε, Μοῦσα, πολύτροπον, ὃς μάλα πολλὰ πλάγχθη = singe mir, Muse, den viel umhergeirrten Mann; c) Substantivsatz als Objekt: οὗτοι ἐπήγγειλαν, ὅτι Κῦρος τέθνηκεν = diese meldeten den Tod des K.; — d) Adverbialsatz als Adverb oder adverbialer Ausdruck, z. B. eine Präposition mit ihrem Kasus: ἐπειδὴ ἐτελεύτησε Δαρεῖος, Τισσαφέρνης διαβάλλει τὸν Κῦρον πρὸς τὸν ἀδελφόν = nach dem Tode des Dareios. So steht oft ein Nebensatz neben einem einfachen Satzteile in gleicher Beziehung. X. M. 2.7.12 διηγεῖτο ταῦτά τε καὶ ὅτι αἰτιῶνται αὐτόν. Pl. civ. 496, c τῶν πολλῶν ἱκανῶς ἰδόντες τὴν μανίαν καὶ ὅτι οὐδεὶς αὐτῶν οὐδὲν ὑγιὲς πράττει.

Zu den Substantivsätzen gehören auch die abhängigen (obliquen) Fragsätze; denn sie bilden Objekte des regierenden Hauptverbs, als: er fragte mich, ob mein Vater zurückgekehrt sei, d. h. nach der Rückkehr meines Vaters; er zeigte an, wer die Verschwörung angezettelt habe, d. h. er zeigte den Urheber der Verschwörung an; er schrieb mir, wann er abreisen werde, d. h. die Zeit seiner Abreise; er schrieb mir, wo das Treffen geliefert sei, d. h. den Ort des Treffens u. s. w. Da jedoch die Lehre von den abhängigen und die von den direkten Fragsätzen vielfach ineinander greifen, so werden wir beide zusammenfassen und nach Erörterung der Nebensätze in einem besonderen Abschnitte (§§ 587—591) abhandeln.

In der griechischen Sprache ist übrigens der Gebrauch der Nebensätze bei weitem nicht so häufig wie in der deutschen, weil die griechische Sprache, als eine synthetische, statt der Nebensätze sich häufig der Partizipialien bedient, die deutsche dagegen, als eine analytische, wegen des Mangels an Partizipialien sich der Nebensätze bedienen muss. Durch den Gebrauch der Partizipialien hat die griechische Sprache in Hinsicht der Kürze, der Leichtigkeit und Gewandtheit des Ausdrucks einen grösseren Vorzug, in Hinsicht der Bestimmtheit des Ausdrucks aber steht sie der deutschen, die sich ebenso sehr als Denkersprache, wie die griechische als Dichtersprache gebildet hat, nach. Denn während die Partizipialien das Verhältnis nur unbestimmt andeuten, stellen die Nebensätze dasselbe auf das Deutlichste dar, da nicht allein durch die einleitende Konjunktion die besondere Art der Beziehung, in welcher der Nebensatz zu dem Hauptsatze steht, auf eine bestimmte Weise bezeichnet, sondern auch durch die Flexion des Prädikats das Zeit- und Modusverhältnis, in dem dasselbe zu der Anschauung des Redenden steht, ausgedrückt wird.

Das Verhältnis der Unterordnung, in dem der Nebensatz zum Hauptsatze steht, bezeichnet die Sprache durch Konjunktionen, welche wir unterordnende oder im Gegensatze zu den Bindewörtern Fügewörter nennen. Die Fügewörter sind gewissermassen Präpositionen der Sätze; denn sowie die Präpositionen die Beziehungen einzelner Begriffe (Substantive), so bezeichnen die Fügewörter die Beziehungen ganzer Gedanken (Sätze). Zu den unterordnenden Konjunktionen gehört auch das Relativpronomen, welches in dem Adjektivsatze die Bedeutung der Flexion eines Adjektivs oder Partizips hat. Das Relativpronomen und die übrigen Fügewörter sind grösstenteils Korrelativa, d. h. Relative, welche mit Demonstrativen im Hauptsatze in wechselseitiger Beziehung stehen. Indem dieselben auf diese Weise wie zwei Glieder (bei den Alten ἄρθρα, articuli genannt, d. h. Gelenke, durch welche die Glieder eines Satzgefüges zusammengehalten werden), ineinander greifen, sind sie geeignet, den organischen Verband des Nebensatzes mit dem Hauptsatze auf das Schönste zu bezeichnen. Z. B. οὗτός ἐστιν ἀνὴρ, ὃν εἶδες. Ἐκεῖνο τὸ ῥόδον, ἀνθεῖ ἐν τῷ κήπῳ, κάλλιστόν ἐστιν. Ἔλεξε τοῦτο, ὅτι (wofür Homer noch sagen kann: ) ἄνθρωπος ἀθάνατός ἐστιν. Τοῖος, οἷος; ὅσῳ . . τοσούτῳ. Ὡς προέλεξα, οὕτως ἐγένετο. Οὕτω καλῶς πάντα ἔπραξεν, ὥστε ἐπαίνου μεγίστου ἄξιος ἦν. Ὅτε Κῦρος ἦλθε, τότε πάντες ἐχάρησαν. Ὄφρα ἠὼς ἦν, τόφρα βέλεα ἥπτετο. Oft steht an Stelle einer der beiden sich entsprechenden Korrelativformen eine andere der Form nach zwar verschiedene, der Bedeutung nach aber verwandte; so wechseln z. B. bei Homer unzählige Mal ὅτε und τόφρα (st. τότε); ὄφρα . . τότε (st. τόφρα); ἦμος . . τότε (st. τῆμος) u. dgl. Ebenso kann auch statt der demonstrativen Korrelativform ein Substantiv stehen, als: ἐν τούτῳ τῷ χρόνῳ, ὃτε (st. τότε, ὅτε). Jedoch wird, wenn die gegenseitige Beziehung nicht mit Nachdruck hervorgehoben werden soll, gemeiniglich das Demonstrativ nicht besonders ausgedrückt, als: ἔλεξεν, ὅτι ἄνθρωπος ἀθάνατός ἐστιν. Καλῶς πάντα ἔπραξεν, ὥστε . . ἦν. Ὅτε Κῦρος ἦλθε, πάντες ἐχάρησαν.

Die Form des im Hauptsatze entweder wirklich ausgedrückten oder denkbaren Demonstrativs bestimmt die Art des Nebensatzes. Das substantivische Demonstrativ deutet auf einen Substantivsatz hin, das adjektivische auf einen Adjektivsatz, das adverbiale auf einen Adverbialsatz. Die Nebensätze selbst aber haben auch besondere Kennzeichen, durch welche sie sich untereinander unterscheiden, nämlich die einleitenden Konjunktionen und die mit denselben verbundene Konstruktion. Jedoch sind die einleitenden Konjunktionen und deren Konstruktion nicht überall untrügliche Abzeichen für die besondere Art der Nebensätze. So haben die mit ὥστε eingeleiteten Nebensätze bei gleicher Konstruktion bald die adverbiale Bedeutung der Art und Weise, als: οὕτω καλός ἐστιν, ὥστε θαυμάζεσθαι (= θαυμασίως καλός ἐστιν), bald die Bedeutung eines im Akkusative stehenden Substantivs oder Infinitivs, als: Hdt. 7.6 ἀνέπεισε Ξέρξην, ὥστε ποιέειν ταῦτα (= ἀνέπεισε Ξέρξην ποιεῖν, Akkusativ, wie in ἀνέπεισε Ξ. τοῦτο). So haben ferner die mit ὅπως eingeleiteten Nebensätze bei gleicher Konstruktion bald die Bedeutung eines Substantivsatzes, als: X. M. 2.2, 6 οἱ γονεῖς ἐπιμελοῦνται, ὅπως οἱ παῖδες αὐτοῖς γένωνται ὡς δυνατὸν βέλτιστοι, bald die Bedeutung eines adverbialen Finalsatzes. Πολλοὶ ἐπιθυμοῦσιν ἄρχειν, ὅπως πλείω λαμβάνωσιν. In diesem Falle kann nur das im Hauptsatze entweder wirklich gesetzte oder zu ergänzende Demonstrativ die besondere Satzart angeben, so z. B. οὕτω (adverbiales Demonstrativ) καλός ἐστιν, ὥστε θαυμάζεσθαι. Ἀνέπεισε Ξέρξην τοῦτο (substantivisches Demonstrativ), ὥστε ποιέειν ταῦτα. Οι᾽ γονεῖς ἐπιμελοῦνται τούτου, ὅπως . . γένωνται. Πολλοὶ ἐπιθυμοῦσιν ἄρχειν ἐπὶ τούτῳ, ὅπως . . λαμβάνωσιν.

Anmerk. Den jeder besonderen Art der Nebensätze eigentümlichen Gebrauch der Modi werden wir im Folgenden bei den einzelnen Arten der Nebensätze behandeln; welche Erscheinungen aber im Gebrauche der Modi mehreren Arten der Nebensätze gemeinsam sind, haben wir schon oben § 399 gezeigt.(Smyth 2173)


Bemerkungen.

1 Diese Satztheorie hat zuerst der um die deutsche Grammatik hochverdiente Sprachforscher S. H. A. Herling aufgestellt, s. besonders dessen Syntax der Deutschen Sprache II. Teil. (Sie hat auch jetzt noch ihren Wert; doch s. Anm. 1 zu § 344.)

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