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3. Von der Aussprache der Buchstaben.Litteratur aus unserem Jahrhundert (abgesehen von den Grammatiken des Griechischen): G. Seyfarth, de sonis litterarum Graecarum, Lips. 1824; K. F. S. Liskovius, über d. Aussprache des Griechischen, Leipz. 1825; S. N. J. Bloch, Revision der Lehre von der Aussprache des Altgriechischen, Altona u. Leipz. 1826, dazu Nachträge in Seebode's Archiv 1827 u. 1829; “Zweite Beleuchtung der Matthiäschen Kritik, die Aussprache des Altgriechischen betreffend”, Altona 1832; R. J. F. Henrichsen, über die neugriechische Aussprache der hellenischen Sprache, aus dem Dänischen übersetzt von P. Friedrichsen, Parchim und Ludwigslust 1839. Bloch vertheidigt die neugr. Aussprache als die ächtgriech., wird aber von Henrichsen gründlich widerlegt. G. Curtius, über die Ausspr. der griech. Vokale u. Diphthonge, Zeitschr. f. österr. Gymn. 1852, S. 1 ff.; ders. in den Erläuterungen zu s. Schulgrammatik, S. 16 ff., u. in Curtius' Studien I, 2, 277 ff. Für die neugr. Aussprache trat dann wieder ein: Ellissen, Verhandl. d. XIII. Vers. deutscher Philologen, Göttingen 1853, S. 106 ff.; eine gemischte Aussprache befürwortete Bursian, Verh. d. XX. Vers., Lpz. 1863, S. 183 ff. S. ferner Rangabé, d. Ausspr. d. Griech., 2. Aufl., Lpz. 1882, der als Grieche seine Aussprache vertritt; Blass, Über die Ausspr. des Griechischen, in 3. Aufl. Berlin 1888; K. Zacher, d. Ausspr. d. Gr., Lpz. 1888.

Die Aussprache der Buchstaben einer toten Sprache genau zu bestimmen ist sehr schwierig, ja grossenteils ganz unmöglich, da selbst bei einer lebenden Sprache eine durchaus richtige Aussprache nur aus dem Munde des sie redenden Volkes erlernt werden kann. Allerdings lebt die griechische Sprache noch in dem Munde der Neugriechen; aber sowie in jeder Sprache sich im Laufe der Zeiten die Aussprache ändert, so ist dies gewiss in so langer Zeit in der griechischen eingetreten, während die Orthographie infolge des durch das Mittelalter und ebenso noch zu unserer Zeit ungebrochen herrschenden Klassicismus sich nicht entsprechend ändern konnte. Schon hiernach darf man mit vollem Rechte schliessen, dass die Neugriechen die Aussprache der Altgriechen nicht rein und unverdorben bewahrt haben.

Gegen Ende des XIV. und im XV. Jahrh. n. Chr. wurde durch Übersiedelung vieler griechischen Gelehrten nach Italien die Kenntnis der griechischen Sprache und Litteratur und mit ihr zugleich auch die damals in Griechenland herrschende Aussprache der Buchstaben in dieses Land verpflanzt und von hier aus über die übrigen Länder Europas verbreitet. In Deutschland wurde die griechische Sprache, natürlich mit neugriechischer Aussprache, namentlich von dem berühmten Joh. Reuchlin (geb. 1455, gest. 1522) gelehrt, weshalb diese Aussprache auch die Reuchlinische genannt wird. Nach derselben wird η, υ, ει, οι und υι wie i, αι wie ä, αυ, ευ, ηυ ωυ vor einem Vokale und vor den Konsonanten β, γ, δ, ζ, λ, μ, ν, ρ wie aw, ew, iw, ow, vor π, κ, τ, φ, χ, θ, ξ, ψ, ς wie af, ef, if, of, ου wie u gesprochen. Von den Konsonanten lautet κ vor e, i palatal, wie kj (tj, dialektisch auch tsch), ausserdem κ, π, τ nach Nasal wie g (gj) b, d; φ wie f, χ wie ch in ach, jedoch vor (nicht nach) e, i wie ch inich”; θ hat den scharfen englischen Laut wie in think, dazu δ den gelinden wie in this; b ist v, g der gelinde Laut zu χ, also vor e, i gleich j. Σ hat den scharfen, ζ den gelinden S - Laut. Erasmus von Rotterdam (geb. 1467, gest. 1536) war einer der Ersten, die die Richtigkeit dieser Aussprache bezweifelten. Erasmus trug seine Bedenken in einem scherzhaften Zwiegespräche (Dialogus de recta Latini Graecique sermonis pronuntiatione, Basileae 1528) zwischen einem Löwen und einem Bären vor und stellte eine andere Aussprache dagegen auf, deren er selbst sich nicht bedient haben soll; gleichwohl geht aus der Art und Weise, wie er seine Ansichten vorträgt, deutlich hervor, dass er nicht einen blossen Scherz getrieben, sondern die Sache ernstlich gemeint hat. Nach der Erasmischen Aussprache lautet η zwischen a u. e, d. i. wie ein offenes e, υ wie franz. u, αι wie ai in Kaiser, αυ wie au, ει wie das Holländische ei, d. h. wie e mit i, ευ wie das lat. eu in euge, d. i. wie e + u, οι wie das altfranz. oi in foi, loi, toi, d. h. wie o + i, ου wie das holländische ou in oudt, kout, gout (alt, kalt, Gold), d. h. wie o mit u. Diese Aussprache fand als die wissenschaftlich und rationell besser begründete bald viele Anhänger und verdrängte zuletzt überall die neugriechische oder Reuchlinische; jedoch ist sie mit der Zeit in den verschiedenen Ländern mehr oder weniger ausgeartet, indem man der Bequemlichkeit und den Gewohnheiten der eigenen Sprache folgte. So wird jetzt in Deutschland ει wie unser ei, d. i. wie ai und gleich αι, ευ wie unser eu und gleich οι, ου wie u gesprochen. Insofern in der neugriechischen oder Reuchlinischen Aussprache der I-Laut vorherrscht, und insbesondere das häufige und wichtige Eta diesen Laut hat, wird sie auch Itacismus, die entgegengesetzte Aussprache Etacismus genannt.

Die neugriechische Aussprache ist etwas innerhalb der griechischen Sprache Gewordenes, nicht etwa, wie man wohl gemeint hat, eine von aussen hineingekommene Barbarei; es lässt sich auch zeigen, wie die Tendenz, durch die η zu ι wurde, schon von Urzeiten her vorhanden war und das ionische η für α hervorrief. Denn dieselbe Bewegung zu einem helleren Laute hin lässt e aus a werden und i aus e.2) Aber dem Glauben der Neugriechen und ihrer Anhänger, dass das gegenwärtige Stadium dieser Bewegung bereits im frühen Altertum erreicht gewesen sei, stehen gewichtige Gründe entgegen. Wenn η, υ, ει, οι und υι wirklich alle wie i gelautet hätten, so lässt sich kein vernünftiger Grund einsehen, weshalb die alten Griechen sich so vieler Zeichen bedient hätten. Keine andere Sprache bietet eine analoge Erscheinung. Wohl aber zeigt uns die Geschichte der Sprachen, dass ursprüngliche Diphthonge im Laufe der Zeiten allmählich in Einzellaute übergehen. Die Diphthonge αι, ει, οι, υι, αυ, ευ, ηυ, ωυ, die doch von den alten Nationalgrammatikern als Diphthonge anerkannt werden, hören auf Diphthonge zu sein; denn auch Lautverbindungen wie aw, ew, ow, af, ef, of, verdienen sie wohl den Namen von Diphthongen? Der Gleichlaut von η, ι, υ, ει, οι, υι und die Aussprache von αυ, ευ, ηυ, ωυ wie aw, ew, iw, ow oder wie af, ef, if, of erzeugt einen Übellaut, der mit dem gerühmten Wohllaute der griechischen Sprache in offenbarem Widerstreite steht. So lauten z. B. die Worte: Πείθοι᾽ ἄν, εἰ πείθοἰ: ἀπειθοίης δ̓ἴσως (Aesch. Ag. 1049), pithi' an, i pithi', apithiis d' isos. Εἴ μοι ξυνείη (S. OR. 863) i mi xinii. Σὺ δ̓ εἰπέ μοι μὴ μῆκος (S. Ant. 446) si d' ipe mi mi mikos, εὐχή wie efchi, βεβούλευνται vevúlewnte, πέπαυνται wie pépawnte, ἐκελεύσθην wie ekelefsthin, γραῦς wie grafs, ναῦς wie nafs, ναῦν wie nawn. Hätten αυ und ευ wie aw und ew gelautet, so würden die Griechen das Lat. av und ev nicht durch αου (αβ), εου ηου (εβ ηβ), sondern durch αυ und ευ ausgedrückt haben, als: Ἀουεντῖνος Aventinus, Σεουῆρος Severus, ἠουοκᾶτοι, evocati, Βατάουοι, Batavi, sowie auch die Römer nicht Orpheus, Peleus nach der 2. Deklination abgewandelt hätten: Orphei, Orpheo, Orpheum. Verbindungen von Lauten wie fs, wn widerstreiten durchaus den Lautgesetzen der griechischen Sprache, ebenso wenn Ζεῦ wie Sew gesprochen wird; denn ein w als Auslaut eines Wortes war dem griechischen Ohre unerträglich. Auch mit der Prosodie verträgt sich diese Aussprache in unzähligen Fällen nicht, als: ἅρμα δέ οἱ χρυσῷ τε καὶ ἀργύρῳ εὖ ἤσκηται Il. κ, 438w); ebenso bei αυ vor einem Vokale: ăw. Auch die Lateiner unterscheiden prosodisch sehr streng zwischen lĕvis, ăvus und Euander (¯ ¯ ˘), Agaue (˘ ¯ ¯); in der Schrift hielten sie ja u und v nicht auseinander. Viele Erscheinungen des Wandels der Vokale und Diphthonge in der Flexion, in der Ableitung und in den Mundarten lassen sich nach dieser Aussprache nicht erklären. Wie konnte aus τείχεα τείχη (tichi), aus φάμα φήμη (fimi) entstehen? wie würden sich die Formen Fῦδός (Böot.), ποῶ ποητής (auch attisch ganz gewöhnlich) u. s. w. zu ἀοιδός (aïdos), ποιῶ (pio), ποιητής (piitis) u. s. w. verhalten? Die Zeichen des Spiritus asper und lenis werden von den Neugriechen zwar noch geschrieben, aber jener nicht mehr gesprochen. Auch die Verteilung von Längen und Kürzen hat bei ihnen einen anderen Charakter angenommen, der von der altgriechischen in hohem Grade abweicht und mehr mit der unserer Sprache übereinstimmt; nämlich der betonte Vokal wird im allgemeinen gedehnt, der unbetonte stets verkürzt, während im Altgriechischen wohl die Betonung einigermassen von der Quantität, aber durchaus nicht diese von jener abhängt. So bilden nach neugriechischer Aussprache ξένους (xē`nŭs), ὅρα (ō`ră) Trochäen; γένοιτο (jē`nĭtŏ), πρόσωπον (prō`sŏpŏ[n], mit scharfem s; das ν in der nicht affektierten Aussprache stumm), ἄνθρωπος ā´θrŏpŏs (das θ wie engl. th, ν vor θ in der nicht affektierten Aussprache stumm) bilden Daktylen. Insbesondere ist zwischen ο und ω schlechterdings kein Unterschied, weder der Qualität noch der Quantität: betontes ο wird gedehnt, unbetontes ω wird verkürzt.

Nach diesen allgemeinen Bemerkungen wollen wir zu den einzelnen Buchstaben übergehen und versuchen, wie sich die Aussprache derselben wenigstens annäherungsweise ermitteln lasse. Bezüglich des H haben wir oben gesehen, dass die Verwendung dieses Hauchzeichens als Vokal erfolgte, um offenes (η) und geschlossenes (ε) e zu scheiden; von Haus aus war es è, und ehe es i wurde, ist es é gewesen. Nun wird η noch von griechischen und lateinischen Schriftstellern des 2., 3., 4. Jahrhunderts n. Chr. als Länge des ε hingestellt und umgekehrt ε als Kürze des η,3) so dass zwar der specielle qualitative Unterschied verschwunden scheint, die allgemeine Qualität aber als e durchaus noch feststeht. Sodann ist für die ältere Zeit, und zwar für die Aussprache als è, das ein ganz unbezwinglicher Beweis, dass die Attiker (so die Komiker Kratinus und Aristophanes) den Naturlaut der Schafe durch βῆ βῆ wiedergeben:4) niemals haben die Schafe vi vi geblökt. So sagen auch die alten Griechen von den Ziegen μηκᾶσθαι, von den Rindern μυκᾶσθαι, machen also einen Unterschied zwischen ē und ü, während neugriechisch beides in mikasthe zusammenfliesst. Wenn ferner Platon (Cratyl. 418 B. Σ.) angibt, dass im Altattischen vielfach ι und ε statt η gebraucht sei, so in ἱμέρα, ἑμέρα statt ἡμέρα, so ist klar nur das Eine, dass er einen Unterschied der Aussprache setzt, indem er ἡμέρα als die grandiosere bezeichnet;

Kühners ausführl. Griech. Grammatik. I. T.

im übrigen aber steht das, was Platon um seiner Etymologien willenἡμέρα von ἱμείρωhier und anderwärts vom Attischen aussagt, derartig mit dem, was uns Denkmäler und Sprachwissenschaft lehren, in Widerstreit, dass wir es ruhig gleich den Etymologien selbst als Scherz und Spiel nehmen dürfen. Wenn das η wie ι gesprochen worden wäre, so sieht man nicht ein, wie η mit zugeschriebenem ι () entstanden sei, wie εα in η zusammengezogen (τείχεα = τείχη), wie von τιμάω τιμήσω, von φιλέω φιλήσω gebildet werden, wie ε und α in der Augmentation des Verbs in η, das alte α_ in η übergehen (φā´μā φήμη) konnte, da im Griechischen nie ι aus α hervorgeht. Endlich entspricht im Lateinischen dem η in unzähligen Wörtern ē (Crates, Delus u. s. w.), und umgekehrt dem lateinischen ē griech. η, als ῥήγι (Dat. rēgi) Plut. Qu. Rom. 63, καρῆρε (carere) Plut. Rom. 21, σαπίηνς (sapiens), Ῥῆνος (Rhenus).5) — Die Aussprache des η wie ι findet sich dialektisch schon in vorchristlicher Zeit bei den Böotern, bei denen es zunächst zu ει geworden war; in der Gemeinsprache zeigen sich die ersten Spuren des Itacismus im 2. Jahrh. n. Chr., doch kann er auch im 4. noch nicht herrschend gewesen sein.

Nach der Lehre der Grammatiker ist ι stets Vokal, nie Konsonant, und daher stets wie i, nie wie j auszusprechen. Allerdings hat die griechische Sprache, wie wir weiter unten sehen werden, die grösste Abneigung gegen den Jod-Laut; allein in dem Falle, wo ι (ε) mit folgendem Vokale mittelst der Synizese einsilbig auszusprechen ist, ergibt sich notwendig eine dem Jod ähnliche Aussprache.6) Auch wenn die Diphthongen αι ει οι vor Vokal verkürzt werden, oder wenn, was auf Inschriften häufig, dem ε (α, ο) vor Vokal ein ι missbräuchlich zugesetzt wird (ἐννεία), ist für die Aussprache ein schwaches halbvokalisches ι anzunehmen. — Das lat. j drücken die Griechen durch ι aus, als: Ἰούλιος.

Dass υ nicht wie ι ausgesprochen worden sei, geht deutlich aus Dionys. Hal. de compos. verb. c. 14 p. 164 Schäf. (77 R.) hervor, wo er lehrt, bei υ würden die Lippen stark zusammengezogen, der Laut gepresst und dünn herausgestossen, bei ι geschehe der Luftstoss durch die Zähne, indem der Mund wenig geöffnet werde, und die Lippen nicht mitwirkten, um den Laut hell und kräftig zu machen (καὶ οὐκ ἐπιλαμπρυνόντων τῶν χειλέων τὸν ἦχον). Also lautete υ nicht wie ι, sondern wie unser ü oder das französische u. Auch der Scholiast ad Aristoph. Nub. 31 unterscheidet zwischen Ἀμυνίας und Ἀμινίας. Wäre υ wie ι gesprochen worden, so würde es auch den Diphthongen υι nicht geben. Die Römer drückten υ in älterer Zeit durch u, später, als das zu wenig genau erschien, durch das griechische Zeichen y aus. Ursprünglich wurde υ ohne Zweifel wie das lat. u und das deutsche u gesprochen, s. § 5, 3, erst später wie unser ü; Quintil. XII. 10, 27 nennt υ und φ die lieblichsten Laute der griechischen Sprache. (S. Nr. 14.) Der Übergang zu ι ist allgemeiner erst mitten in byzantinischer Zeit, nicht vor dem 9. u. 10. Jahrh., erfolgt; noch in Suidas' Lexikon (10. Jahrh.) werden ι η ει einerseits und υ οι andererseits in der Buchstabenfolge als verschiedene Laute behandelt, indem ει η ι zusammen hinter ζ und vor θ, οι und υ für sich an den Platz des letzteren gestellt sind.7

Von den Diphthongen besprechen wir zunächst das αι, bei welchem die neugriechische Aussprache wie ä von namhaften Gelehrten unserer Zeit in Schutz genommen und geübt worden ist, hauptsächlich wegen seiner Beziehungen zum latein. ae. Die Römer nämlich drücken αι durch ae aus, als: σκαιός scaevus, Φαῖδρος Phaedrus, und die Griechen das latein. ae durch αι, als: Καικίλιος Caecilius, Πραινεστῖνοι Praenestini. Indes das römische ae ist eine Abschwächung des ursprünglichen ai, welches sich in der älteren Latinität in zahlreichen inschriftlichen Belägen findet, als: Ailius, Gnaivod (= Gnaevo), aidilis, quaistor, quairatis, aiquom, Aimilius.8) Man darf aber auch für ae mit guten Gründen annehmen, dass die Römer es nicht als einen Einzellaut, sondern als Diphthongen ae gesprochen haben.9) Auch aus der lateinischen Verwandlung des griechischen αι mit folgendem Vokale in āj, als: Αἴας Ajax, Μαῖα Maja, lässt sich schliessen, dass die Griechen αι wie ai sprachen. Die Behauptung, die der Skeptiker Sext. Empiricus (um 200 n. Chr.) ausgewissen Philosophenanführt (adv. mathem. p. 625 Bk.), dass αι ει ου einfache, von Anfang bis zu Ende des Ertönens sich gleichbleibende Laute seien, kann natürlich unter allen Umständen nur für die Zeit des Autors und seiner Gewährsmänner beweisen, wird aber dadurch unverwendbar, dass es sich hier ausdrücklich um neue, im Alphabete noch nicht vorkommende Laute handelt, was αι ä (e) kaum und ει i schlechterdings nicht ist. Unzweideutig aber legt der Musiker Aristides Quintilianus (3. Jahrh. oder später) dem αι die Geltung eines gedehnten ε bei,10) gleichwie entsprechend lateinische Grammatiker der gleichen Zeit ae als Dehnung des ĕ (d. i. des offenen kurzen e) bezeichnen. Die griechischen Grammatiker dagegen (wie Choeroboskus p. 1214 in Bekkeri Anecd., Theodosius Gramm. p. 34 Göttl., Schol. Dionys. Thrac. p. 804 in Bekkeri Anecd., Moschopulos p. 24 sq. Titze) unterscheiden die Diphthonge von den στοιχείοις11) und lehren, dass zwar ει, , , δίφθογγοι κατὰ ἐπικράτειαν seien, d. h. solche, in welchen der Laut des einen Vokales so das Übergewicht hat, dass er allein gehört wird; αι aber nennen sie ᾶῖ δίφθογγος ἐκφωνοῦσα τὸ ι, woraus die diphthongische Natur deutlich hervorgeht. Choeroboskus stellt den Diphthongen αι ausdrücklich dem entgegen, welches τὸ ι ἀνεκφώνητον habe. Demnach müssen wir αι sowohl als οι auch für die alexandrinische und die nächstfolgende Zeit, wo diese grammatische Theorie sich bildete, nicht als Einzellauteoder e und oe), sondern als wirkliche Diphthonge ansehen. Wenn wir οι als Diphthong gelten lassen, so müssen wir auch αι als solchen ansehen; denn beide haben manche Erscheinungen mit einander gemein. Beide werden in der Flexion (mit Ausnahme des Optativs), wenn ihnen kein Konsonant beigefügt ist, in Beziehung auf die Betonung als kurz betrachtet; beide entstehen häufig aus αϊ und οϊ, als: πάϊς (Hom.) u. παῖς, ὄϊς u. οἶς, ὀΐομαι u. οἴομαι u. s. w.; im Dat. Pl. und im Optative stehen sich αις u. οις, αι u. οι gegenüber; ebenso die äolischen Formen παῖσα (aus πάντ-ια) st. πᾶσα u. μένοισα (aus μένοντ-ια) st. μένουσα. Einen sehr starken Beweis liefert die Krasis: aus καὶ ἔστι wird κἄστι, mit Bewahrung des α, welches also auch in καί erhalten gewesen sein muss. Entsprechend ist μοι ἐστί μοὐστί. Dass aber in der böotischen Mundart statt αι η (λεγόμενη st. λεγόμεναι, τύπτομη st. τύπτομαι, Θειβῆος st. Θηβαῖος u. s. w.) und in der äolischen αι zuweilen st. , η (θναίσκω, μιμναίσκω, μαχαίτας st. μαχητής, αἴμισυς st. ἥμισυςgebraucht wurde, beweist bei richtiger Betrachtung nicht die Gleichheit der Aussprache von η und αι, sondern vielmehr die Verschiedenheit. Übrigens müssen die Griechen αι und οι da, wo sie in Beziehung auf die Betonung als kurz behandelt wurden, kürzer und flüchtiger ausgesprochen haben als da, wo sie als lang angesehen wurden; vgl. βούλευσαι, βουλεῦσαι, βουλεύσαι, οἶκοι, Häuser, οἴκοι, zu Hause. In diesen Verbalendungen mit Ausnahme des Optativs muss auch schon in alexandrinischer Zeit das αι, nach den häufigen Verwechselungen mit ε auf Papyrus zu schliessen, sich wenig oder gar nicht von ε unterschieden haben. Aber weiter als auf diesen Fall erstrecken sich diese Verwechselungen nicht in einem Beispiel, so dass für καί, ἡμέραι u. s. f. die diphthongische Aussprache auch für diese Zeit eben hieraus unzweifelhaft ist.

Auf den Diphthongen αι lassen wir den Diphthongen οι folgen, weil sie sich, wie wir Nr. 7 gesehen haben, einander mehrfach entsprechen. Die Römer gebrauchten in älteren Zeiten oi, später oe, als: foideratei, foederati, Coilius, Coelius, und drückten οι in den älteren Zeiten durch oi, später durch oe aus, als: Φοῖβος Phoebus, Κροῖσος Croesus; wie Ajax aus Αἴας ist Troja aus Τροία. Aber auch oe bildete ohne Zweifel nicht einen Einzellaut wie das deutsche ö, sondern war ein Diphthong. Die neugriechische Aussprache des οι wie i ist offenbar eine durchaus verderbte und junge, indem es noch zu Suidas' Zeit (vgl. oben 6) wenigstens noch wie ü lautete. Dass nach der Lehre der alten Grammatiker οι kein Einzellaut, sondern ein wirklicher Diphthong sei, dass οι häufig aus οϊ entstehe, dass im lesbischen Aeolismus die Endung οισα aus οντια (μένοισα) hervorgehe, dass in der Krasis von οι mit ε das ο erhalten bleibe, haben wir Nr. 7 gesehen. Hierzu kommt, dass οι vor Vokal in der attischen und anderen Mundarten mit ο wechselt, als: att. χρόα st. χροιά, πόα st. des ion. ποίη, des dor. ποία; dass in der Ableitung ει in οι, sowie ε in ο, übergeht, als: λείπω λέλοιπα, μένω μέμονα; dass in der Augmentation des Verbs οι in übergeht, als: οἴομαι ᾠόμην; endlich bei Hesiod. Op. 243 die Verbindung von λοιμὸν ὁμοῦ καὶ λιμόν, welche beide Wörter nach der neugriechischen Aussprache nicht zu unterscheiden gewesen wären.12) Hiernach wurde das οι, und zwar bis weit in die Kaiserzeit hinein, der Schreibung entsprechend wie ein geschlossenes ο mit i ausgesprochen, welcher Laut übrigens mit dem unseres eu keineswegs gleich, und von dem eines ü nicht weit abliegend ist. Es ist darum auch nicht nur im Böotischen statt οι vielfach υ geschrieben worden (ϝυκία st. οἰκία, καλύ st. καλοί), sondern auch anderweitig zeigen sich zwischen οι und υ auffällige Berührungen: λοιγόςλυγρός, κοίρανοςκύριος (Curtius Etymol. ^{5} 658 f.), in Eigennamenοίτης u. — ύτης (Ἀνδροίτας, Μενοίτας, Κλεοίτης, Ἀνδρύτας, Ἀρχύτας, Φιλύτης). So lässt sich erklären, wie die Aussprache von οι erst zu υ und von da zu ι überging.

In betreff des Diphthongen ει haben wir oben (Nr. 7) gesehen, dass ihn die alten Grammatiker zu den Diphthongen κατὰ ἐπικράτειαν rechneten, also ει als einen Einzellaut (entweder als langes e oder als langes i) ansahen. Hierin liegt aber kein Beweis dafür, dass schon die älteren Griechen ει wie ι_ gesprochen hätten, sondern nur dafür, dass zur Zeit der Grammatiker, d. h. in der alexandrinischen und römischen, der Diphthong als ein Einzellaut ausgesprochen worden sei. Hierzu kommt noch, dass Choeroboskus zu den Diphthongen κατὰ ἐπικράτειαν nur , und rechnet, aber ει weglässt. Die Römer drücken ει vor Vokalen gewöhnlich durch ē, vor Konsonanten gewöhnlich durch ī aus, als: Aenēas, Galatea, Medea, Sigeum; Nīlus, Pisistratus, Phidias.1314) Hieraus und aus zahllosen Verwechselungen auf Inschriften und Papyrus folgt mit voller Evidenz, dass bereits im 1. (2.) Jahrh. v. Chr. das ει, dessen Entstehung und ursprünglichen Lautwert wir oben (S. 44) betrachtet haben, zu einem langen i vereinfacht war, ausser vor Vokalen, wo es damals noch im ganzen den E-Laut hatte und in griechischen Denkmälern mit (ε oder) η verwechselt wird. Zu beachten sind auch die Worte Priscians (I. 9, 50): I quoque apud antiquos post e ponebatur et ei diphthongum faciebat, quam pro omni i longa scribebant more antiquo Graecorum. Die alten Römer hatten nämlich wie die Griechen den Diphthongen ei und gebrauchten zumal in der Schrift ihn noch lange da, wo die jüngeren das lange i anwendeten. Aber auch der hier hervorgehobene griechische, in vielen Denkmälern nachweisbare Gebrauch, das ει allgemein zur Bezeichnung des langen ι zu verwenden, war zu Priscians Zeit veraltet, indem inzwischen (durch Herodian) die grammatische Regelung zwischen ει und ι auf Grund der ursprünglichen Schreibung erfolgt war. Dass übrigens ει nicht von Anfang an ī war, erhellt aus zahlreichen Umständen. Sowie häufig αι und οι aus αϊ und οϊ entstehen, ebenso auch ει aus εϊ, als: ὄρεϊ ὄρει, Ἀτρεΐδης Ἀτρείδης. Auch die Zusammenziehung von εε in ει, als: φίλεε = φίλει; der Name εἶ für den Buchstaben ε; die Stelle bei Plat. Cratyl. 402 E: τὸν οὖν ἄρχοντα τῆς δυνάμεως ταύτης θεὸν ὠνόμασε Ποσειδῶνα, ὡς ποσίδεσμον ὄντα, τὸ δὲ ε ἔγκειται ἴσως εὐπρεπείας ἕνεκα (der Zierlichkeit wegen, zur Verschönerung); das ionische (dorische u. s. w.) ηι st. ει, als: στρατηίη st. στρατεία; die Angabe der Grammatiker, dass die Böotier langes ι st. ει gebrauchten, als: λέγις, ἠΐ, ἶμι st. λέγεις, αἰεί, εἶμι: alles dies spricht gegen die neugriechische Aussprache des ει wie ι.

Was gegen die neugriechische Aussprache der Diphthonge αυ und ευ zu erinnern ist, haben wir schon Nr. 3 gesehen. Αυ und ευ werden von den alten Grammatikern (s. Nr. 7) als δίφθογγοι κατἀ κρᾶσιν angeführt, d. h. als solche, bei welchen συγκιρνῶσιν ἑαυτὰ τὰ δύο φωνήεντα καὶ ἀποτελοῦσιν μίαν φωνὴν ἁρμόζουσαν τοῖς δύο φωνήεσιν. Die Diphthonge αυ und ευ erleiden zuweilen die Diäresis, als ἄϋσαν (υ_) b. Hom. von αὔω, ἐΰ (b. Hom.) st. εὖ; so wird im Lat. zuweilen das griechische ευ in ein zweisilbiges e-u aufgelöst, als: Orpheus als Daktylus.15) Hieraus erhellt, dass in beiden Diphthongen die beiden Laute vernommen worden sind. Da υ, wie wir § 5 sehen werden, ursprünglich wie u lautete, so ist anzunehmen, dass αυ wie unser au und entsprechend ευ als e + u gesprochen worden sind; denn die mit υ gebildeten Diphthonge waren ohne Zweifel eher vorhanden, als υ den getrübten Laut ü angenommen hatte; weshalb im Neugriechischen auch das υ dieser Diphthonge sich in w und f verhärten konnte.

Ου war ursprünglich, wenigstens in einer Anzahl von Wörtern, ein diphthongischer Laut, ähnlich dem altdeutschen ou z. B. in troum, noch mehr dem altlat. ou z. B. in ioudico, s. § 2, 6 S. 45, wurde aber später ein Einzellaut wie das französische ou, gleich unserem und dem lat. langen u. Die Römer drücken ου durch das einfache u aus, als: Mūsa Μοῦσα, eunūchus εὐνοῦχος, sowie die Griechen das latein. ū durch ου, als: Βροῦτος Brūtus, nachmals auch ŭ, als: Νουμᾶς Nŭma, Ῥήγουλος Regŭlus, in älterer Zeit dies jedoch durch ο, als: Φονδάνιος Fundanius, Λέντολος (Λέντλος) Lentulus (in einzelnen Fällen ū ŭ durch υ: Σύλλας Sulla, Ῥωμύλος Romulus, Καπύη Capŭa).16) Die Neugriechen sprechen es nicht, nach Analogie von αυ, ευ, ωυ, wie ow oder of, sondern gleichfalls wie u aus. Wie wir oben (§ 2, 6) gesehen haben, ist das ου in den meisten Fällen ein verlängertes ο, demnach eigentlich wie langes geschlossenes o lautend; doch mischte sich frühzeitig ein U-Laut hinzu, und zur römischen Zeit war der Endpunkt der Entwickelung, die ἐπικράτεια dieses u, schon lange erreicht. Vgl. Nigidius Figulus b. Gell. 19, 14: Graecos non tantae inscitiae arcesso, qui ου ex O et Y scripserunt, quantae, qui ει ex E et I; illud enim inopia fecerunt, hoc nulla re subacti, d. h. ich beschuldige die Griechen nicht deshalb so sehr des Unverstandes, weil sie den Laut des langen u durch ου ausgedrückt haben; denn dazu sind sie durch die Not gezwungen worden, weil sie kein einfaches Zeichen dafür hatten, wohl aber deshalb, weil sie ganz unnötiger Weise statt ει schreiben [falls sich in der nicht unversehrt erhaltenen Stelle dies letzte nicht vielmehr ursprünglich auf die Römer und ihr ei bezog]. Auch die griechische Bezeichnung des lateinischen v durch ου, als: Οὐάῤῥων Varro, Οὐενουσία Venusia, Σκαιουόλας Scaevola zeigt deutlich ου als Einzellaut.

Die Diphthonge ηυ, ωυ und υι werden von den § 3, 7 angeführten alten Grammatikern δίφθογγοι κατὰ διέξοδον genannt, d. h. solche, in welchen der Laut jedes der zwei verbundenen Vokale getrennt (χωρίς) gehört wird: also sprachen die Grammatiker e-ü, o-ü, ü-i. Für ηυ und ωυ indes, welche Diphthonge damals in der wirklichen Sprache nicht mehr existierten, kann diese Aussprache nicht wohl angenommen werden; denn wie ηυ aus αυ (ηὔχουν von αὐχῶ) oder ευ (ηὐχόμην von εὔχομαιhervorgeht, so der fast nur ionische (dorische) Diphthong ωυ aus ο + αυ (ευ): ωὐτός ion. aus αὐτός, ἐμεωυτοῦ aus ἐμέο αὐτοῦ; es muss somit das υ in ηυ ωυ so gut wie in αυ ευ den Wert von u gehabt haben. Dagegen das υι, welches bei den Attikern im 4. Jahrh. v. Chr. völlig in υ_ aufgegangen war, im Hellenistischen indes erhalten blieb, lautete wohl in der That wie üi (einsilbig), also wie das französische ui z. B. in lui, pluie, als: μυῖα müia.

Die Diphthonge , , werden von den alten Grammatikern (s. Nr. 7) als δίφθογγοι κατὰ ἐπικράτειαν bezeichnet, also als solche, in welchen das ι ἀνεκφώνητον ist.17) Vor Einführung des η und ω schrieb man ΕΙ st. ΗΙ und ΟΙ st. ΩΙ, und im ganzen Altertum das Ι dieser drei Diphthonge in einer Reihe mit den übrigen Buchstaben; dass es von Haus aus nicht ein unnützes Zeichen war, ist schon hiernach selbstverständlich. Vgl. ferner γρᾴδιον aus γραΐδιον, λῃστής aus ληϊστής, πατρῷος aus πατρώιος, ᾕρουν von αἱρῶ, ᾤκουν von οἰκῶ. Es lautete das ι auch noch in der Zeit, wo die Römer die Wörter comoedia, tragoedia, Thraex aufnahmen; denn hier ist , gerade so behandelt wie sonst οι, αι. Dagegen ist seit dem 2. Jahrh. v. Chr. das ι verstummt, und wurde zu Strabos Zeit (unter Augustus und Tiberius) von Vielen als unnütz und in dem wirklichen Laute nicht begründet weggelassen (Str. XIV, p. 648: πολλοὶ γὰρ χωρὶς τοῦ ι γράφουσι τὰς δοτικάς, καὶ ἐκβάλλουσι δὲ τὸ ἔθος φυσικὴν αἰτίαν οὐκ ἔχον). Darum wird es auch von den Römern in den später aufgenommenen Wörtern nicht berücksichtigt: odeum ᾠδεῖον, rhapsodus ῥαψῳδός, Thracia.

Über die Aussprache der Konsonanten ist nur Weniges zu bemerken. B lautet im Neugriechischen ganz wie unser w (franz. v); nur nach Nasal ist in der lebendigen Volksaussprache der alte B-Laut erhalten. Dass die Alten b sprachen, folgt schon daraus, dass sie den Konsonanten zu den Mutae zählten, was w schlechterdings nicht ist; gleiches gilt von γ (neugr. vor e und i j) und δ (neugr. wie weiches engl. th). Γ hatte vor den Kehllauten γ, κ, χ, ξ den Nasenlaut wie ng in Engel, Angst; im Lateinischen steht dafür n, als: Γάγγης Ganges, συγκοπή syncope, Ἀγχίσης Anchises, λάρυγξ larynx. Das Sanskrit hat für diesen Nasallaut einen besonderen Buchstaben; Nigidius Figulus b. Gell. N. A. 19, 14, 7 nennt dieses n n adulterinum. Varro überliefert für γ vor κ u. s. w. den Namen agma (ἄγγμα?), eine Umdrehung von γάμμα.18) Manche nehmen eine solche Aussprache des γ auch vor μ ν an (πρᾶγμα, γίγνομαι), indes wollen sich dem die Thatsachen, wie die stete Syllabierung πρᾶ-γμα, γί-γνομαι, durchaus nicht fügen. Viel weniger noch kann das nasale γ in dem Homerischen κὰγ γόνυ (Il. υ, 458) vorliegen, da hier doch eine völlige Angleichung des τ mit dem folgenden γ stattfindet; ebenso in ἔγγονος d. i. ἔκγονος eggonos. — Das ς wurde scharf gesprochen, ausser vor Media oder Liquida, wo es auch im Neugriechischen gelinde lautet, und von den Alten oft mit ζ vertauscht wurde: Ζμύρνα, ζβεννύναι. — Z ist nicht wie unser z (= ts) zu sprechen, auch nicht, da es als Doppelkonsonant Position bewirkt, wie das neugriechische ζ, das wie ein weiches s oder wie das französische z gesprochen wird, sondern nach dem einhelligen Zeugnisse der griechischen Grammatiker wie sd oder genauer zd (mit franz. Werte des z).19) Es wächst daher vielfach in der Wortbildung und Komposition ein ζ aus σδ zusammen: Ἀθήναζε aus Ἀθήνασ-δε, βύζην aus βύσ-δην (vgl. βέβυσμαι und πλέγδην), Θεόζοτος aus Θεόσ-δοτος. Ferner verliert σύν vor ζ = σδ das ν so gut wie vor στ, σπ u. s. w.: συζῆν συζυγίασύστημα συσπᾶν. Den persischen Gottesnamen Auramazda schreibt Platon Ὠρομάζης, die Stadt Aschdod in Palästina heisst bei Herodot u. A. Ἄζωτος. Indes ist seit der hellenistischen Zeit das zd zu z (franz.) vereinfacht worden, weshalb in der Septuaginta Ἀσδώδ, auf einer Inschrift des 1. Jahrh. v. Chr. Ὠρομάσδης geschrieben wird. — Θ ist nicht wie das lispelnde neugriechische θ oder das englische th zu sprechen, sondern, da es aus τ und ', wie φ aus π und ', χ aus κ und ', entstanden ist, wie ein τ mit Hauch dahinter, also τ̔, z. B. ἀνθέλκω, entstanden aus ἀντ) und ἕλκω. Entsprechend ist X nicht unser ch noch das neugriechische χ, sondern ein κ mit Hauch darnach (κ̔): οὐκ ὅτι (ouk hoti) wird geschrieben οὐχ ὅτι (ΟΥΧΟΤΙ) oukhoti. Der Beweis wird hierfür auch durch die Geltung von φ χ θ als Mutae geliefert; denn englisches th, unser ch, f sind nicht Mutae, sondern Spiranten und gehören zu den ἡμίφωνα (§ 7, 2). Über φ s. unten besonders. — Die Liquidae Λ, Μ, Ρ hatten anlautend einen volleren Klang und werden in alten Inschriften im Anlaut auch wohl mit Hauch geschrieben (ΛΗ, ΡΗ, besonders ΜΗ); die Grammatiker haben nur das P als im Anlaut und in der Verdoppelung aspiriert gehört und bezeichnet. Vgl. § 8, 1. Übrigens wurde das P nach Dionysios' Beschreibung (de composit. p. 79 R.) mit der Zungenspitze gesprochen, war also wie im Neugriechischen dental, nicht guttural. — Über Ξ s. weiter unten unter Ψ. — Σχ bildete nicht wie das deutsche sch einen Laut, sondern wurde wie das lateinische sch getrennt gesprochen, und zwar sk', als: σχολή (d. i. sk' olē), lat. schola, woraus sich das Schwanken zwischen σχ und σκ z. B. in σχινδάλαμος σκινδάλαμος erklärt, s. Fritzsche ad Aristoph. Thesm. p. 611. — Τι lautete wie ti ohne Zischlaut, als: Κριτίας. — Φ wurde nicht wie das lat. f, sondern wie ein aspiriertes π, also π̔ gesprochen. Wenn daher die Römer das φ in ihrer Sprache ausdrücken wollen, so gebrauchen sie dem Laute gemäss ph, als: Phaedrus Φαῖδρος, und nur in urverwandten Wörtern, wie fuga, fama, bedienten sie sich ihres f. Dagegen bezeichnen die Griechen das lat. f (aus Not) stets durch φ, als: Fabius Φάβιος, φερῖρε ferire. Quintilian 12, 10, 27 nennt die beiden griechischen Laute φ und υ die lieblichsten Laute der Griechen. “Wenn wir”, fährt er fort, “(imSprechen) dieselben gebrauchen, nescio quo modo hilarior protinusrenidet oratio, ut in Zephyris et zophoris (?). Werden dieselben durch unsere Buchstaben (f und u) ausgedrückt, surdumquiddam et barbarum efficient, et velut in locum earum succedenttristes et horridae, quibus Graecia caret. Denn das f wird paenenon humana voce inter discrimina dentium herausgestossen.” — Die beiden Doppellaute ξ und ψ sind wie ks und ps zu sprechen (vgl. Dionys. Thrax Bk. Anecd. p. 632, Dionys. Hal. de compos. p. 82 R., Sext. Emp. adv. gramm. § 103, p. 622 Bk.), auch wenn sie aus γς, χς, βς, φς entstanden sind, da γ, χ, β, φ vor ς in die tenues ü bergehen müssen. Vgl. scrib-o, scrip-si. Also: κόραξ, G. κόρακ-ος, λέξω v. λέγ-ω, ὄνυξ, G. ὄνυχ-ος, βλέψω v. βλέπ-ω, χάλυψ, G. κάλυβ-ος, κατῆλιψ, G. κατήλιφ-ος. Wenn auf alten Inschriften, die der Zeichen für ξ ψ entbehren, dieselben nicht sowohl durch ΚΣ und ΠΣ, als durch ΧΣ und ΦΣ umschrieben werden, so kommt dies daher, weil ς als γράμμα πνευματῶδες (Plat. Cratyl. 427 A) der Tenuis einen Hauch mitzuteilen schien. — Was endlich das Vau ϝ betrifft, so werden diejenigen Recht haben, die in demselben den Halbvokal w (engl.), nicht den weichen Spiranten v (engl.; deutsch w) erblicken. Jenes war auch der Laut des lateinischen v,20) und entsprechend beschreibt Dionysius von Halikarnass (Antiq. Rom. 1, 20) das altgriechische Digamma als τὴν ου συλλαβὴν ἑνὶ στοιχείῳ γραφομένην. Wäre das Vau unser w gewesen, so hätte dieser sehr konsistente Laut durchaus nicht so leicht verschwinden können.

Einteilung der Sprachlaute.

1 Litteratur aus unserem Jahrhundert (abgesehen von den Grammatiken des Griechischen): G. Seyfarth, de sonis litterarum Graecarum, Lips. 1824; K. F. S. Liskovius, über d. Aussprache des Griechischen, Leipz. 1825; S. N. J. Bloch, Revision der Lehre von der Aussprache des Altgriechischen, Altona u. Leipz. 1826, dazu Nachträge in Seebode's Archiv 1827 u. 1829; “Zweite Beleuchtung der Matthiäschen Kritik, die Aussprache des Altgriechischen betreffend”, Altona 1832; R. J. F. Henrichsen, über die neugriechische Aussprache der hellenischen Sprache, aus dem Dänischen übersetzt von P. Friedrichsen, Parchim und Ludwigslust 1839. Bloch vertheidigt die neugr. Aussprache als die ächtgriech., wird aber von Henrichsen gründlich widerlegt. G. Curtius, über die Ausspr. der griech. Vokale u. Diphthonge, Zeitschr. f. österr. Gymn. 1852, S. 1 ff.; ders. in den Erläuterungen zu s. Schulgrammatik, S. 16 ff., u. in Curtius' Studien I, 2, 277 ff. Für die neugr. Aussprache trat dann wieder ein: Ellissen, Verhandl. d. XIII. Vers. deutscher Philologen, Göttingen 1853, S. 106 ff.; eine gemischte Aussprache befürwortete Bursian, Verh. d. XX. Vers., Lpz. 1863, S. 183 ff. S. ferner Rangabé, d. Ausspr. d. Griech., 2. Aufl., Lpz. 1882, der als Grieche seine Aussprache vertritt; Blass, Über die Ausspr. des Griechischen, in 3. Aufl. Berlin 1888; K. Zacher, d. Ausspr. d. Gr., Lpz. 1888.

2 S. A. Dietrich, der Itacismus in d. altgr. Spr., N. Jahrb. f. Philol. 105 (1872), S. 11 ff.

3 Sext. Empir. adv. mathem. p. 625 Bk: συσταλὲν μὲν τὸ ε γίνεται η, ἐκταθὲν δὲ τὸ ε γίνεται η (es folgt Entsprechendes über ο, ω). — Terentian. Maur. (Ende des 3. Jahrh. n. Chr.) V. 450 ff.: litteram namque ε videmus esse ad ἦτα proximam, sicut ο et ω videntur esse vicinae sibi; temporum momenta distant, non soni nativitas. S. ferner Marius Victorinus (4. Jahrh.) Ars gramm. p. 39 Keil, Ausonius p. 202 ed. Bip., Martianus Capella III, § 235 u. s. w.

4 Kratinos frg. 43 Kock: δ̓ἠλίθιος ὥσπερ πρόβατον βῆ βῆ λέγων βαδίζει. Aristoph. frg. 642 K.

5 Vgl. A. Sickinger, de linguae latinae ap. Plutarchum et reliquiis et vestigiis, Freibg. i. Br. 1883.

6 Hermann, em. rat. gr. gr., p. 33 sqq. u. 40 sq.; G. Meyer, gr. Gramm.^{2}, § 146 ff.

7 Den Byzantinern sind ει η ἀντίστοιχα von ι, αι von ε, οι von υ, d. h. gleichwertige und in der Lehre von der Orthographie künstlich geschiedene Bezeichnungen. So in den orthograph. κανόνες des Theognostos (Ende des 9. u. Afg. des 10. Jahrh.), s. Egenolff, d. orthograph. Stücke d. byzant. Litteratur, Progr. Heidelberg 1888, S. 21 ff.

8 S. K. L. Schneider, Ausf. Gr. d. lat. Spr. I, 1, S. 50 ff.

9 Seelmann, Ausspr. d. Latein., S. 222 ff.

10 Aristides π. μουσικῆς, p. 56 Jahn (93 Meibom); s. Blass, Ausspr.^{3}, S. 67 n. 240^{a}.

11 Henrichsen a. a. O., S. 95 ff.

12 Ganz verkehrt führen die Reuchlianer für ihre Aussprache die Weissagung bei Thuc. 2.54 an: ἥξει Δωριακὸς πόλεμος καὶ λοιμὸς ἅμ᾽ αὐτῷ. Es entstand ein Streit unter den Athenern, ob in der Weissagung λοιμός oder vielmehr λιμός gesagt sei. Aber gerade aus dem Streite geht hervor, dass beide Wörter verschieden gelautet haben müssen.

13 S. K. L. Schneider, Ausf. Gr. d. lat. Spr. I, S. 69 ff.

14 Wenn die Reuchlinianer für ihre Aussprache des ει als ι und des αι als ε als Beweis anführen, bei Callim. Anth. Pal. 12, 28 antworte das Echo ἔχει (echi) auf ναίχι (naechi); so begehen sie einen argen Fehler. Der Dichter ruft aus: Λυσανίη, σὺ δὲ ναίχι καλὸς καλός: ἀλλὰ πρὶν εἰπεῖν | τοῦτο σαφῶς, ἠχώ φησί τις ἄλλος ἔχει. Das Echo kann doch auf ναίχι καλός nicht rückwärts antworten ἄλλος ἔχει, sondern entweder es liegt bloss in dem Worte ἄλλος in Beziehung auf καλός (Henrichsen a. a. O., S. 135), oder “Echo” bedeutet hier nur die sicher folgende Erwiderung (v. Wilamowitz, Homer. Untersuchungen S. 353), oder die Wor<*>e sind zu emendieren: — τοῦτο σαφῶς Ἠχώ (näml. καλός, welches wiederholt ist), φησί τις ἄλλος ἔχειν (E. Petersen, Progr. Dorpat 1878; man kann auch einfach das Komma ver legen: Ηχώ, φησί τιςἄλλος ἔχει”).

15 S. Mar. Victorinus in Keil, Gr. Lat. VI, 66 ff.; K. L. Schneider, Ausf. Gr. d. lat. Spr., II, S. 75.

16 S. ebendas. S. 33; Dittenberger, Hermes VI, 281 ff.

17 Eine merkwürdige Stelle findet sich b. Choerobosk. in Bekkeri Anecd. III, p. 1186 sq., wo er sagt, die Grammatiker nennen mit Rücksicht auf die Aussprache (ἐκφώνησις) das ι in , , ἀνεκφώνητον, οἱ δὲ μουσικοὶ τῆς ἀκριβείας φροντίζοντες λέγουσιν, ὅτι ἐκφωνεῖται μέν, οὐκ ἐξακούεται δὲ διὰ τὸ μέγεθος τῶν μακρῶν φωνηέντων.

18 Varro b. Prisc. I, 39.

19 Dionys. Thrax Bk. Anecd. p. 632: (σύγκειται) τὸ ζ ἐκ τοῦ ς καὶ δ, vgl. Schol. p. 780, 814, 815. Dionysius Halic. π. συνθέσεως p. 78 R.: διπλᾶ δὲ λέγουσιν αὐτὰ ἤτοι διὰ τὸ σύνθετα εἶναι, τὸ μὲν ζ διὰ τοῦ ς καὶ δ, τὸ δὲ ξ διὰ τοῦ κ καὶ ς κτέ. Sext. Empir. p. 622 Bk.; Bk. Anecd. 1175 (ζ könne, ungleich ξ ψ, nicht auslauten, διότι ἐκ τοῦ ς καὶ δ δοκεῖ συγκεῖσθαι, οὐδέποτε δὲ λέξις Ἑλληνικὴ εἰς ἄφωνον τελευτᾷ).

20 S. Seelmann, Ausspr. d. Latein., S. 231 f.

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