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49. Von dem Hiatus in der Prosa.S. G. E. Benseler, de hiatu in oratoribus Atticis et historicis Graecis libri duo. Fribergae 1841.

Auch die Kunstprosa scheut zum Teil das Zusammentreffen eines vokalisch auslautenden Wortes mit einem vokalisch anlautenden Worte, besonders den Zusammenstoss zweier langer Vokale oder eines langen und eines kurzen, wobei jedoch zu bemerken, dass, wo die Interpunktion einen Ruhepunkt bewirkt, der Hiatus bei den minder strengen Autoren hinlänglich entschuldigt ist, und dass ein solcher Ruhepunkt nicht bloss nach einem Punkte oder Kolon, sondern oft auch nach einem Komma eintritt, wofern nur das rhetorische Satzglied, dasKolon”, zu Ende ist. Man muss aber die verschiedenen Zeiten und Gattungen der Prosa wohl unterscheiden.

Nicht die geringste Rücksicht auf den Hiat wird in der alten Prosa der Ionier wie der Attiker genommen, also weder von Herodot noch von Thukydides. Auch Gorgias, der Schöpfer der Kunstrede, hat sich um den Hiat anfänglich nicht bekümmert, wiewohl er sonst seine Prosa der Poesie ähnlich zu machen suchte. Gleichwohl ist bereits im 5. Jahrhundert, vielleicht durch den Rhetor Thrasymachos von Kalchedon, das Prinzip der Meidung des Hiatus, wie es die Dichter hatten, auch für die Kunstprosa aufgestellt worden, und im 4. Jahrhundert finden wir dasselbe in Isokrates' Kunstreden in strengster Anwendung.2) Nach der Praxis in diesen sind verwehrt erstlich alle Hiaten, bei denen eine Tilgung durch Elision oder Krasis nicht möglich ist, und zwar sowohl innerhalb des Satzgliedes (Kolon) wie zwischen Satzgliedern; sodann aber auch von solchen Hiaten, die der Tilgung wohl fähig sind, alle diejenigen zwischen selbständigen Wörtern von eigenem Gewicht, und die, wo die allenfalls mögliche Krasis doch härter sein würde. Ob nun da, wo die Tilgung stattfindet, dieselbe in der Schrift zum Ausdruck kommt, ist völlig gleichgültig; auch bei den Dichtern wird in Handschriften und Inschriften sehr oft und ganz nach Belieben plene geschieben, gleichwie dies im Lateinischen immer geschieht. Gestattet ist jedoch auch in den ausgefeiltesten isokratischen Reden der Hiat mit τί, τι, ὅτι, περί, εὖ (alles dies nach dem Vorgange der Dichter, s. § 48, 3), πρό, (ἄν nam. in πολὺ ἄν), allenfalls καί; in den minder gefeilten, namentlich den Gerichtsreden, kommen hinzu solche mit , εἰ, , (οὖν), einzelne mit Formen des Artikels, und besonders solche zwischen Satzgliedern und Sätzen. Elidierte Vokale finden sich in den ersten sechs Paragraphen des Panegyrikos: δ̓ ὑπέρ. δ̓ οὐδεμίαν. (2) δ̓ ἀνδρός. (3) ἀλλ᾽ ἱκανὸν. ἀπ᾽ αὐτοῦ. (4) ἀλλ᾽ ἅμα. μάλιστ᾽ ἐπιδεικνύουσιν. πλεῖστ᾽ ὠφελοῦσιν. (5) ἔπειτ᾽ οὐδ᾽ οἱ. ὥστ᾽ ἤδη. (6) δ̓ἂν. δ̓ εἰρημένα. Durch die Beschränkung der Elisionen geht diese Prosa noch über die Strenge der Dichter hinaus.

Demosthenes schuf sich für seine praktischen Reden ein etwas abweichendes, vor allem minder peinliches Hiatusgesetz. Abgesehen von den jederzeit erlaubten Hiaten am Ende des Kolons und der völligen Freiheit der Elision sind darnach auch die Hiaten nach den kleinen, zumeist einsilbigen Formwörtern gestattet: καί εἰ μή ἐπεί μέντοι καίτοι τοῦ u. s. w., . Es tritt bei diesen Wörtern manchmal Krasis ein, mehrenteils jedoch nicht, und es werden alsdann die Längen (ausser vielfach , vgl. § 48, 3) für den prosaischen Numerus nach dem Vorgange der Dichter der Verkürzung unterworfen, wodurch der Hiat unanstössig wird.

Die zur Zeit des Isokrates und Demosthenes lebenden sonstigen praktischen Redner waren zwar weniger als diese beiden bemüht den Hiatus zu vermeiden, liessen ihn jedoch seltener zu als die älteren Redner. Isäus ist in den verschiedenen Reden ungleich, in einigen ziemlich streng. Bei Lykurgus und Dinarchus findet sich der Hiatus zwar nicht ängstlich vermieden, doch im Ganzen nicht sehr oft, etwas häufiger bei Aeschines, fast unbeschränkt bei Hypereides.

Die Geschichtschreiber, von denen manche namhafte, wie Theopompus3) und Ephorus, aus Isokrates' Schule hervorgingen, haben sich von dessen Zeit ab der Praxis der Kunstrede angeschlossen, so dass auch in Xenophons späteren Schriften sich manchmal eine gewisse Spärlichkeit der Hiate zeigt. Platons philosophische Prosa nimmt anfänglich auf den Hiat keine Rücksicht; in seinen späteren Schriften jedoch (Philebos, Sophistes, Politikos, Timaios, Kritias, den Gesetzen) hat er sich dem inzwischen erstarkten neuen Gesetze der Kunstprosa folgsam gezeigt, wiewohl ohne Peinlichkeit, indem z. B. Hiaten mit den Formen des Artikels, mit μή, εἰ u. s. w., sowie auch Elisionen unbeschränkt zugelassen werden. Strenger verfährt Aristoteles, d. h. da, wo er sorgfältiger schreibt, insbesondere in den Dialogen; Theophrast berücksichtigt durchweg den Hiat, indes nach sehr freien Gesetzen. In der Folgezeit ist alsdann das Prinzip der Meidung des Hiatus für jegliche Kunstprosa herrschend geblieben, wie wir dies namentlich an Polybius4) und an dem Epikureer Philodemus sehen. Als jedoch die atticistische Reaktion kam, welche vielfach sich gerade an die älteren attischen Muster, wie den Thukydides, anlehnte, kam das Gesetz ins Schwanken, und bei den Autoren der Kaiserzeit zeigt sich die Praxis individuell verschieden. Plutarch5) sucht in allen seinen Schriften den Hiat zu meiden, ebenso Diodorus von Sicilien, dessen Muster namentlich Ephorus ist; dagegen Lucian, Arrian u. A. sind dagegen gleichgültig, während wieder Andere, wie Appian, eine mittlere Praxis befolgen.6(Smyth 47)

Die Mittel, deren sich die Sprache zur Beseitigung des Hiatus im Worte und zwischen Wörtern bediente, waren folgende:

1 S. G. E. Benseler, de hiatu in oratoribus Atticis et historicis Graecis libri duo. Fribergae 1841.

2 Dionys. Halic. de compos. verb., cap. 23, p. 367 Schaef. (184 R.): φωνηέντων μὲν γὰρ ἀντιτυπίαν (concursationem) οὐκ ἄν τις οὐδεμίαν εὔροι, ἐν γοῦν οἶς παρεθέμην ἀριθμοῖς, οἴομαι δ̓ οὐδ᾽ ἐν ὅλῳ τῷ λόγῳ (dem Areopagitikos). Quintil. 9. 4, 35: non tamen id (sc. hiatus) ut crimen ingens expavescendum est, ac nescio negligentia in hoc an sollicitudo sit pejor (er spricht zunächst vom Lateinischen). Inhibeat enim necesse est hic metus impetum dicendi et a potioribus avertat. Quare ut negligentiae pars hoc pati, ita humilitatis ubique perhorrescere, nimiosque non immerito in hac cura putant omnes Isocratem secutos praecipueque Theopompum. Vgl. Plut. Mor. 350 e.

3 S. Cic. Orat. 45, 151; Quintil. in der S. 198 f. angeführten Stelle; Benseler l. d., p. 197 sqq.

4 S. Benseler l. d. p. 204 sqq.

5 S. ebendas. p. 314 sqq., und besonders die gründliche Untersuchung von Carol. Sintenis de hiatu in Plutarchi vitis parall., Zerbst 1845.

6 Über Appian s. A. Zerdik, Quaest. Appianeae, Kiel 1886.

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