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71. Veränderungen des konsonantischen Auslautes.

Die griechische Sprache duldet im Auslaute, wie wir § 57, III gesehen haben, von Konsonanten nur ν, ρ, ς (ψ, ξ). Durch dieses Wohllautsgesetz tritt die griechische Sprache zu ihrer Schwestersprache und zu dem Sanskrit in einen strengen Gegensatz.1) Die Abneigung des Griechischen gegen verschiedene Konsonanten am Schlusse eines Wortes, die in den beiden letzteren Sprachen an dieser Stelle ganz gewöhnlich sind, hat bewirkt, dass in der griechischen Sprache viele grammatische Formen, welche sich im Sanskrit und im Lateinischen in ihrer ursprünglichen und echten Gestalt erhalten

Kühners ausführl. Griech. Grammatik. I. T.

haben, Verstümmelungen erlitten. So ist das μ als Auslaut in ν verwandelt oder zu α vokalisiert, als: ἦα, entstanden aus ἦσ-αμ, l. er-am, neben ἔον, ἐβούλευ-σα st. ἐβούλευσ-αμ neben ἐβουλευ-σάμ-ην, ἔφερον st. ἔφερομ, sk. ábharam, l. ferebam, neben ἐφερόμ-ην; πόδα st. πόδαμ, l. pedem; ferner vergleiche man ἔφερον st. ἔφεροντ, l. ferebant, Vok. ἄνα st. ἄνακτ, Nom. μέλι st. μέλιτ u. s. w.; der Vok. von παῖς, παιδ-ός lautet παῖ st. παῖδ.

Wenn nun in der Flexion der Wörter ein anderer Konsonant als die angeführten an das Ende des Wortes treten müsste, so wird derselbe entweder in einen anderen verwandelt, den die griechische Sprache als Auslaut duldet, oderund dies ist der häufigere Fallganz abgestossen.2)

Der erstere Fall tritt ein: a) bei den T-Lauten, welche in den Spiranten ς übergehen; so entstanden unter Abfall des Schluss-ι die Formen πρός (aus προτί, πρότ, oder aus προσί?), δός, θές, σχές aus δόθι, θέθι, σχέθι (st. δόθ, θέθ, σχέθ); ferner steht οὕτως, ὅπως, καλῶς u. s. w. st. οὕτωτ, ὅπωτ (wie noch böot. in ὅπωτ ὦν), καλῶτ;3) mit ἕως alt ἧος, τέως alt τῆος vgl. skr. jâvat, tâvat; — b) bei dem ursprünglichen μ, welches in ν überging, als: λέαιναν, l. leaenam, Μοῦσαν, l. Musam, ἄγρον, l. agrum, ναῦν, l. navem, πόσιν, sk. patim, ποδῶν, l. pedum, ἔφερον, sk. ábharam l. ferebam, dor. ἦν (aus ἦσν), l. eram.

Der zweite Fall tritt ein: a) bei den T-Lauten, als: σῶμα, G. σώματ-ος (? lat. -men, ebenfalls ohne τ), μέλι, G. μέλιτ-ος, Vok. Αἶαν v. Αἴας, Αἴαντ-ος, γέρον v. γέρων, γέροντ-ος; ebenso Neutr. φέρον v. φέρων, φέροντ-ος u. s. w.; Nom. γάλα, G. γάλακτ-ος, Vok. ἄνα v. ἄναξ, G. ἄνακτ-ος; bei den beiden letzteren musste mit dem τ auch das κ abfallen; Vok. παῖ v. παῖς, παιδ-ός; ἄλλο, aliud, τό, sk. tad, , sk. jad, l. quod, ἔφερε, sk. ábharat, l. ferebat, Pl. ἔφερον wie sk. ábharan st. ἔφεροντ (vgl. ἐφέροντο) und ábharant, ἦσαν wie sk. âsan st. ἦσαντ und âsant; — b) bei κ in γύναι vgl. γυναικός, in dem ep. ὑπόδρα st. ὑπόδρακ (v. ὑπό u. δέρκομαι), nb. welchem Herodian ὑποδράξ kennt, I, 496 u. s., s. Nic. Ther. 765; über οὐ nb. οὐκ s. § 72, 4; — c) anscheinend bei μ (vgl. § 68, 4) in dem Akk. S. III. Dekl., als: πόδα, l. pedem, in 1. Pers. Aor. 1. Akt., als: ἔδειξα, sk. ádiksham u. s. w.; der Vokal statt dieses der theoretischen Bildung nach voraussetzenden vokallosen m ist α; der Nasal fehlt ferner in den Zahlwörtern ἑπτά septem, ἐννέα novem, δέκα decem (im Sskr. hier überall -an, L. Meyer, Vgl. Gr. I^{2}, 138); — d) bei ς in μάκᾶρ neben d. dor. μάκαρς, δάμᾶρ nb. δάμαρς (Herodian I, 246, 7), eig. δάμαρτς, doch musste τ schon vor ς ausfallen; auch χέρς dor. f. χείρ; es hat hier in der gew. Form Ersatzdehung stattgefunden (§ 38, 3). Über das ς mobile, sowie über das ν mobile s. § 72, 2. und 3.

Anmerk. 1. Die übrigen Veränderungen des Auslautes stimmen mit denen des Inlautes überein, nämlich der Ausfall des T-Lautes, des ν, des ντ, νδ, νθ vor ς, als: χάρις st. χάριτς, παῖς st. παῖδς, κόρυς st. κόρυθς, δελφίς st. δελφίνς, γίγας st. γίγαντς, ὀδούς st. ὀδόντς s. § 68. In πούς (st. πός, dialektisch Herodian I, 403 II, 281. 903), G. ποδ-ός, und anscheinend in dem Partiz. Pf. A. auf ώς, als: τετυφώς (st. τετυφότς), G. φότ-ος, ist gegen die sonstige Weise Ersatzdehnung eingetreten, vgl. l. pês, pĕd-is; ebenso in κτείς, κτεν-ός, εἷς, ἑν-ός, in den Adjektiven μέλᾶς τάλᾶς, G. α^ν-ος, in dem Akk. Pl. der I. und II. Dekl., s. § 68, Anm. 1.

Im Zusammenhange der Rede, wo der Auslaut eines Wortes mit einem folgenden Worte in nahe Berührung tritt und nicht durch Pause von demselben getrennt wird, hört der Auslaut auf im strengen Sinne Auslaut zu sein; er wird so zu sagen Inlaut, und daher treten alsdann für die Aussprache desselben, wie wir schon bei der Lehre von der Apokope (§ 42) gesehen haben, und wie aus Inschriften und zum Teil aus Handschriften hervorgeht, mehrere Erscheinungen hervor, welche wir im Inlaute bemerkt haben.4) So richtet sich der auslautende Nasal nach dem folgenden Konsonanten, d. h. er wird μ vor π φ β ψ μ, γ vor κ χ γ ξ, wird angeglichen vor λ ρ ς, fällt aus vor ζ (στ u. s. w.), s. § 61, Anm. 1; 64, 2; 68, Anm. 1; die Präposition ἐξ verliert vor Kons. nicht nur das s (§ 72, b), sondern wandelt auch die verbleibende Tenuis vor (φ) θ in die Aspirata, vor Mediae und Liquidae in die Media, s. § 60, Anm. 1; ähnlich auch das Zahlwort ἕξ, § 68, 7.

Anmerk. 2. Jedoch herrscht auf den Inschriften in der bemerkten Schreibweise nichts weniger als durchgreifende Gleichmässigkeit, sondern selbst auf solchen Inschriften, welche diese Schreibung fast durchweg beobachten, finden sich Beispiele, in welchen nicht die Aussprache, sondern die Abstammung des Wortes berücksichtigt worden ist, wie z. B. Corp. Inscr. Att. I, 32 τῶν χρημάτων ἐπειδὰν πραθῇ u. s. w. neben ὅταμ περ, ἐάμ που, τῶλλογιστῶν u. s. w. Nachmals lässt überhaupt der Gebrauch des Angleichens bezw. Assimilierens nach: die attischen Inschriften kennen dasselbe betreffs des ν zwar vor Labialen bis in die Kaiserzeit, vor Gutturalen dagegen und vor ς nur bis ins 3. Jahrh. v. Chr., vor λ und ρ nur bis ins 4. Jahrh.; ἐκ wird assimiliert bis zum 1. Jahrh. v. Chr.5Entsprechend wird der Gebrauch in Handschriften gewesen sein, und so bietet uns ein herkulanensischer Papyrus (Gomperz, Ber. d. Wien. Akad., Bd. 83, 87 ff.) zahlreiche Beispiele des assimilierten ν, während dieselben in den ägyptischen Papyrus recht spärlich sind. Vgl. Blass, Ausspr. 83^{3} f. In den mittelalterlichen Handschriften kommen nur vereinzelte Beispiele der angegebenen Schreibung vor, als: τἀμ μέσῳ Demosth. or. 39, 4. ξύμ μοι λάβεσθε τοῦ μύθου P. Phaedr. 237a;6) andere Beisp. s. § 61, Anm. 1.(Smyth 133)

1 Vergl. Giese, Aeol. D., S. 81 f.; Schleicher, Komp. der vergl. Gr. 236^{2} ff.

2 Vgl. L. Meyer, V. Gr. I^{2}, S. 204 ff.; Curtius, Stud. X, 227 ff.

3 Vgl. L. Meyer, V. Gr. I^{2}, S. 204 ff.; Curtius, Stud. X, 227 ff.

4 S. Giese, Aeol. D., S. 83 ff.; Curtius a. a. O. 210 ff.

5 Meisterhans, S. 87^{2}. 84.

6 S. Lobeck ad Soph. Ai. 836.

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