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9. I. Von dem Wesen der Vokale.

Der A-Laut, im Sanskrit ungeteilt, hat sich im Griechischen in die drei Laute a e o (α ε ο, η ω ει ου) gespalten; dasselbe ist im Lateinischen der Fall, nur dass hier ĕ und ŏ grossenteils zu ĭ und ŭ weiter entwickelt sind. Doch zeigt sich die Zusammengehörigkeit dieser A-Vokale, wie man sie mit L. Meyer nennen kann, auch im Griechischen fort und fort, man vergl. καλά̂ (dor.), καλή (att.), Masc. καλός, Voc. καλέ, N. Plur. καλα?́, dazu καλα-ῖς, καλοῦ (aus ό-ο, strengdor. καλῶ), καλῷ.1) Beispiele des Entsprechens in den verwandten Sprachen, zunächst für die kurzen Laute: a) gr. α, sk. a, lat. u. s. w. a, καλ-ός, sk. kalj-as (gesund), δάκρυ, l. lacruma, goth. tagr, δάκ-νω, sk. da[cnull ]-āmi, goth. tah-ja (zerreisse), καν-αχέω, rausche, sk. ka[ndot ]-kani, Glocke, l. can-o; — b) gr. o, sk. a (ā), lat. o (e), deutsch meist a: γόνυ, sk. ǵānu, l. gĕnu, ὄψ (F όψ), l. vōx, sk. vā[kacute], δόμος, l. domus, sk. damas, ὀκτώ, sk. ash[tnullu, goth. ahtau, d. acht, ὄϊς (ὄϝις), sk. avis, l. ovis, althochd. auwi Schäfchen; c) gr. ε, sk. a, lat. u. s. w. e (i): ἕρπ-ω. l. serp-o, sk. sarpmi, ἑπτά, l. septem, sk. saptan, γένος, l. genus, sk. ǵanus, μένος, sk. mánas, Gen. μένους (st. μένεσ-ος), sk. mánas-as, ἔδ-ω, l. edo, sk. ad-mi, ἐσ-τί, l. est, sk. ás-ti, φέρ-ω, l. fer-o, sk. bhármi, ἔ-φερ-ον, sk. á-bharam. Über den Wechsel von α ο ε in den Dialekten s. § 24, 1.

Aus dieser Spaltung der A-Laute erwuchsen der griechischen Sprache grosse Vorteile.2) Zuerst wurde dadurch eine grössere Lautabwechslung bewirkt; vgl. sk. á-bhar-am u. ἔ-φερ-ον, sk. á-labh-am u. ἔ-λαβ-ον, a-bharmahi u. ἐ-φερ-όμεθα, ǵaan-a u. γέ-γον-α, da-dar<*>-a u. δέ-δορ-κ-α; ein Wort wie <*>atapathabrâhmaa würde dem griechischen Ohre unerträglich gewesen sein. Sodann treten die verschiedenen Flexionsformen eines Wortes deutlicher hervor; vgl. sk. Nom. u. Akk. Pl. pádas, Gen. S. padás u. πόδες, πόδας, ποδός, avahata = εἴχετε u. εἴχετο. Ferner hat die Sprache diesen Wechsel auf das Sinnreichste für die Flexionsbildung der Verben und für die Wortbildung verwendet; man umfasst ihn unter dem Namen der Ablautung; z. B. τρέφω, τέτροφα, ἐτρα?́φην; τροφή, τροφεύς, τραφερός; κλέπτω, κέκλοφα, ἐκλάπην; κλοπή, vgl. stehle, stahl, gestohlen. Auch ist dadurch die Anzahl der Wurzeln in der griechischen Sprache grösser, vgl. μαν u. μεν in μαίνομαι u. μένω, δαμ u. δεμ in δαμάζω u. δέμω u. s. w.

Das lange a hat sich in gleicher Weise wie das kurze im Griechischen in drei Laute: , η, ω gespalten. Z. B. δᾶήρ, sk. dēvNom. dēvā (d. i. daivā), l. lēvir, στα- στη-, sk. sthâ, l. stā-re, ἡμι-, sk. sāmi, l. sēmi, althochd. sāmi-, halb, δῶρον, sk. dānam, l. dōnum, γι-γνώ-σκω, sk. ǵānā-mi, l. (g)nōsco, ὠκύς, sk. ā[cnull ]us, lat. Komp. ōcior. Über die Dialekte s. § 26. Auch diesen Wechsel der langen Laute hat die Sprache zu Flexions- und Wortbildungen vielfach benutzt. S. §§ 36 und 37. Bezüglich der innerhalb des Griechischen entstandenen langen Laute ist zu bemerken, dass die üblichsten Dialekte ein geschlossenes langes e und o, welches sich zu ει bezw. ου entwickelte, neben den offenen η und ω gewonnen haben; auch dies kann zu Unterscheidungen dienen, als τὼ λόγω u. τοῦ λόγου.

Die Schwächung eines ursprünglichen A-Vokales, nämlich des ε, in ι ist im ganzen selten und tritt fast nur vor zwei Konsonanten ein,3) z. B. sk. ē-dhi st. as-dhi [root ] as, ἴσ-θι [root ] ἐς (esse); sk. hjas, χθές, χθιζός; sk. a<*>va, l. equus, gr. ἵππος. Die Schwächung eines ursprünglichen A-Vokales, nämlich des ο, in υ ist gleichfalls selten, z. B. νύξ, sk. naktam, l. nox, ξύν, l. com, cum, ὄ-νυξ, sk. nakhas; hie und da ist auch das υ aus einem ursprünglichen ϝ entstanden, vgl. das Suffix σύνη m. tvana, θύρα m. dvāra-m, σῦριγξ m. √ svar, d. swirran, γυνή aus γFανή (böot. βανά aus γFανά) m. goth. quinô.4) (Ausserdem im äol. Dial., s. § 24, 2.)

Die beiden anderen Grundvokale ι und υ haben ihren Laut fast durchweg ohne Vermischung erhalten. Dadurch, dass das υ seinen ursprünglichen vollen Laut u in den dünneren ü verwandelte (§ 5, 3), wurde es dem ι näher gerückt, und so geschah es, dass es zuweilen in ι überging, so durch Dissimilation in dem bei Homer noch nicht vorkommenden φῖτυ, φῖτύω [root ] φυ; dagegen σίαλος, δρίον (schon Hom. Hes.) kommen zwar von σῦς, δρῦς her, aber die Art der Ableitung ist nicht klar.5) Über ι st. υ im äol. Dial. s. § 24, 2; in der gew. Sprache zeigt sich sporadischer Übergang von ι zu υ etwa seit dem 4. Jahrh. v. Chr., als in Ἀμφικτύονεις (seit 410 nachzuw.) für Ἀμφικτίονες, ἥμυσυ (schon 378 v. Chr.) st. ἥμισυ, Μουνυχίων (s. 306) st. Μουνιχιών; auf e. delischen Inschr. (um 180 v. Chr.) κυλύχνιον zu κυλίχνη, Κυνθυκῶι fürικῶι, Χοιρύλος für Χοιρίλος; es ist hier Assimilation wie in ἥμυσυ, neben welchem keineswegs ἡμύσεος ἡμύσεια vorkommt. Begreiflich ist ein solches Schwanken zumal in Fremdwörtern: βίβλος βιβλίον att. Inschr. der guten Zeit, Plato (Schanz Praef. Euthyd. VI) u. s. w.; βυβλίον βυβλιοθήκη Inschr. seit dem 1. Jahrh. v. Chr., aber βύβλος auch schon in Herodots Hdschr. überwiegend und in anderen Bedeutungen alsBuchausschliessliche Form, so auch βύβλου Aesch. Suppl. 761, βύβλους Hermipp. 63, 13 Kock. Ferner ist μόλυβδος attisch (Inschr.); aber βόλιβος βόλιμος dorisch; μόλιβος hat Homer (Sophokl.) neben μολύβδαινα, wonach Herodian (II, 551) μόλιβος und μόλυβδος will; nach Moeris ist μόλυβος hellenist. für att. μόλυβδος. — Schwanken in Dialekten: αἰσιμνάτας megar. für αἰσυμνήτης, Τινδαρίδαι lakon. Inschr., Ἐλευὕνια (Ἐλευσίνια) desgl., Ἄρταμις Ἱακυνθοτρόφος auf Knidos nb. Ὑάκινθος in Lakonien.6) — Dagegen in der Zeit, wo der U-Laut des υ noch feststand, war eher ein Schwanken nach ο hinüber; darum in der Reduplikation zur Vermeidung des vollen Gleichlauts μορ-μύρ-ω, murmuro, πορφύρω, κόκκυξ cucūlus. So auch Ὄλομπος auf einer (freilich auch sonst Fehler zeigenden) Vase wohl chalkidischen Ursprungs C. J. G. 8412; bei den Chalkidiern und überhaupt auf Euböa ist nach allem Anschein das υ wie bei den benachbarten Böotern lange noch u gewesen.7)

1 Vgl. G. Curtius, Zur Kritik d. neuesten Sprachforschung (1885), S. 110 ff.

2 Vgl. G. Curtius' Sprachvergleichung, II. Aufl., Berl. 1848, S. 33 ff., Christ a. a. O. S. 12 f.

3 S. Curtius, Etym.^{5}, S. 711 ff., L. Meyer, V Gr. I^{2}, S. 257 ff., A. Schleicher, Comp. 58^{2}.

4 S. Kuhn in Zeitschr. f. vergl. Spr. XI, S. 308 ff.

5 G. Meyer 107^{2} f., der mit Unrecht auch φῖτυ von √ φυ trennen will.

6 Meisterhans, Gramm d. att. Inschr. 22^{2} ff.; Blass, Ausspr. 40^{3}.

7 Curtius, Et.^{5} 717; L. Meyer I^{2}, 566; Christ, S. 29; G. Meyer, 105^{2} f.

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