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5. Vokale. a) Einfache Vokale.

Die Griechen hatten, wie wir § 2, 6 gesehen haben, anfänglich nur fünf Vokalzeichen: Α, Ε, Ο, Ι, Υ, welche als kurz (βραχέα) und als lang (μακρά) gebraucht wurden. Nachher kamen für das offene (lange) Ε das Zeichen Η und für das offene (lange) Ο das Zeichen Ω hinzu, und noch später wurden Ε und Ο auf die Geltung kurzer Vokale beschränkt, während Α, Ι und Υ nach wie vor als kurz und als lang gebraucht und daher δίχρονα oder ἀμφίβολα genannt wurden.

Das Verhältnis der Vokale zu einander wird am besten durch die bekannte Vokalpyramide dargestellt, an deren Spitze a, und an deren beiden unteren Ecken i und u stehen, während die verschiedenen e und o auf der Linie zwischen a und i bezw. a und u Platz finden, ü aber zwischen i und u.

A, i, u stellen sich im Griechischen wie im Sanskrit und in den semitischen Sprachen deutlich als die drei Grundvokale dar, und zwar gehören die E- und O - Laute im Griechischen zum Bereiche des a, nicht zu dem des i und u.

Der dritte Grundlaut ist im Griechischen kein reiner, sondern aus dem U-Laute durch Annäherung an ι getrübter; aber ohne Zweifel hat er ursprünglich den reinen Laut u, wie im Lateinischen und Deutschen, gehabt, und dieser Laut ist insbesondere für Homer noch anzunehmen, bei welchem εὖ als εὖ und ἐΰ (eu und e-u) erscheint, αὔω im Aorist ἤϋσα bildet (auo — ē-ūsa). Auch haben namentlich die Böotier diesen ursprünglichen Laut treu bewahrt, indem sie ihr υ wie u, und zwar als kurzes und langes u, aussprachen; also σύν, τύχα, κᾶρυξ, Πύ̂θιος, ὗς lautete bei ihnen wie sun, tucha, karux, Pūt'ios, hūs.1) Nachdem aber im Attischen und Ionischen (Dorischen) sich die Bezeichnung ου für einen dem langen u wenigstens nahe verwandten Laut gebildet hatte; nahmen auch die Böotier im 4. Jahrh. v. Chr. dieses ου an und gebrauchten es nicht nur für das lange, sondern auch für das kurze u, als: κούνες st. κύνες, οὔδωρ st. ὕδωρ, σούν st. σύν, κοῦμα st. κῦμα, welche Schreibung auch in die Gedichte der Korinna eingeführt wurde, daher in deren Fragmenten: τού, οὐμές, οὐμίων, πουκτεύι, ῶνούμηνεν (= ὠνύμαινεν), γλουκού, λιγουράν u. a. Jedoch schwankt auf den böotischen Inschriften die Schreibung zwischen ου und υ, während andererseits die Böotier in späterer Zeit das lange υ (= ȳ) häufig für οι (verwendeten, als: τῦς ἄλλυς st. τοῖς ἄλλοις, ἵππυς st. ἵπποις, προβάτυς st. προβάτοις; τῦ δάμυ st. τῷ δάμῳ.2) Eine dem ü ähnliche Trübung stellte sich mit der Zeit auch bei ihnen ein, zu ü sich verhaltend wie das englische ū (iu) zum französischen u, dem es entspricht (duc engl. duke); die Böoter schreiben ιου, was sich besonders nach Dentalen und nach λ findet: Πολιούστρατος, τιούχα, Διωνιούσιος.3) Unter den dorischen Stämmen sind die Lakonier die Einzigen, in deren Glossen das ου sowohl für υ_ als fur υ^ vorkommt. So findet sich bei Hesychius z. B. διφοῦρα = γέφυρα, κάρουα = κάρυα, μουσίδδει = μυθίζει, τούνη = τύνη (σύ). Auf den sehr späten lakonischen Inschriften 1347 und 1388 findet sich ο st. υ in Κονοουρεῖς st. Κυνοσουρεῖς;4) sonst geben die Inschriften nur υ wie gewöhnlich, und es scheint daher das u für υ auf die vulgäre Sprache Lakoniens beschränkt gewesen zu sein.

Hinsichtlich der Kürze und Länge der Vokale ist zu bemerken, dass weder die kurzen noch die langen von den alten Grammatikern alle als gleich kurz oder lang angesehen wurden. Dass das ε der kürzeste Vokal sei, schloss man aus der sogenannten attischen Deklination, in der es auf den Accent nicht einwirkt, indem die Stimme über dasselbe leicht hingleitet, als: Μενέλεως, ἵλεῳ, πόλεως, selbst χρυσόκερως, φιλόγελως. Dass es insbesondere kürzer sei als ο, entnahm man aus dem Vokative, der die kurzen Vokale liebt, als: λόγος λόγε;5) dass aber ω kürzer sei als η, daraus, dass man Μενέλεων, πόλεων u. s. w. proparoxytonisch betont, was nie der Fall ist, wenn η in der letzten Silbe steht.6) (Smyth 4, 7, 24)

1 S. Ahrens, Dial. I, 196 sq. u. p. 180 sq.; Meister, Gr. Dial. I, S. 231 ff. Vgl. Dietrich in Kuhns Zeitschr. 1865, S. 64.

2 S. Ahrens l. d. p. 191 sqq.; Meister, S. 236.

3 Meister, S. 233 f. (Ahrens Add. II, 519).

4 S. Ahrens, II, p. 124—126.

5 S. Herodian in Bekk. Anecd. II, p. 798 sq. Herodians Vater Apollonius behauptete dagegen, ο sei kürzer als ε. S. Theodos. Gramm., p. 33 sq.

6 Bekk. Anecd. II, p. 797.

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