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40. Metathesis oder Verschiebung der Vokale.

Die Metathesis oder Verschiebung der Vokale besteht darin, dass in der Verbindung eines langen und offenen (η) mit einem kurzen und geschlossenen (ο, ε) die Länge und die offene Qualität des ersten auf den zweiten, die Kürze u. die geschlossene Qualität des zweiten auf den ersten übertragen wird. Ist aber α der 2. Vokal, so bleibt dieser in seiner Qualität ungeändert und wird nur lang, während der erste auch in diesem Falle geschlossen und kurz wird. Die Alten, die den qualitativen Unterschied auch bei ε ο nicht beachten, nennen die Erscheinung ὑπερβιβασμὸς τοῦ χρόνου (Hdn. II, 381, 625). Diese Verschiebung der Vokale ist eine Eigentümlichkeit der ionischen und attischen Mundart.

Auf diese Weise wird zunächst ηο = ᾶο in beiden Mundarten in εω verwandelt, und zwar ist das ionische εω ein halber Diphthong, der bei den Dichtern entschieden der Auflösung in zwei Silben widerstrebt. Die anzunehmende Mittelstufe ηο ist nicht oft mehr nachzuweisen; das εω aber im Attischen grösstenteils zu ω (ου) geworden.

I. Dekl., Gen. S. der Mask. auf ης (ας) bei Homer: Ἀτρεΐδης, Ἀτρεΐδᾶο u. Ἀτρεΐδεω, ἱκέτης, ἱκέτεω neben ἱκέτᾶο, Ἄλτης, Ἄλτᾶο Il. φ, 85 und gleich darauf 86 Ἄλτεω, u. s. w., Adj. ἐριβρεμέτης ἐριβρεμέτεω Il. ν, 264; nirgends ist dies εω zweisilbig; bei vorhergehendem Vokal steht einfach ω: Αἰνείω, Βορέω, ἐϋμμελίω. Gen. Pl. der Fem.: ἀγορέων neben ἀγορά̂ων, πύλη, πυλέων neben πυλάων u. s. w., Adj. αὐτή, αὐτέων, ἅπασα, -ασέων; auch dies εω ist in der Regel einsilbig; nach Vokal steht auch hier ῶν, als Σκαιῶν. Vgl. § 103, 6. 9. In der neuion. Mundart ist die Genetivendung εω (ω) bei den männlichen Substantiven und die pluralische Endung εων (ῶν) die ausschliessliche, s. § 104, 2. 3; das Attische hat έων in ῶν zusammengezogen, statt εω, ω aber ου eintreten lassen. Im jüngeren Ion. (vom 4. Jahrh. ab) kommt auch ευ (= εο) im Gen. vor, Bechtel, Inschr. d. ion. D., S. 118; so auch Λευτυχίδης (Hdt.), ἐθεύρεον (Inschr.), Wackernagel, K. Z. XXVII, 263.

II. Dekl. b. Homer: Ἀγέλεως neben Ἀγέλαος, Πηνέλεως (¯˘˘¯), Ἀκρόνεως u. a., s. § 110, 3; daneben Λειώκριτος, wofür schon Eustath. Ληόκριτος vermutet, u. so die Neueren, Cohn, Heraclid. Miles. 104; neuion. u. att. λεώς st. λᾶός (ληός Hipponax), Μενέλεως, Ἀρκεσίλεως, Ἀμφιάρεως, att. auch νεώς st. νᾶός (νηός ion.); Adj. att. ἵλεως, ἵλεων st. ἵλᾶ^ος (so, mit α^, Archiloch.); λεπτόγεως u. s. w. aus -γηος (§ 151, 1), gleichwie auch im ersten Teil der Komposita aus γηο- ion. att. γεω- wird, als γεωμέτρης, γεωμόρος (doch γήπεδον att., ion. γεώπεδον Hdt. 7.28; γηοχέοντι Hdt. 7.190). Die att. Tragiker bedienen sich der Formen λαός und λεώς, ναός (νεώς A. Pers. 810), ἵλα^ος, Gerth, Curt. Stud. I, 2, 213 ff.

III. Dekl. neuion.: Ποσειδέων, G. -δέωνος, D. -δέωνι, A. -δέωνα, att. kontrahiert in Ποσειδῶν; Ἀμυθέων, G. -θέωνος, ὀπέωνες Her. 9, 50 st. ὀπά̂ονες, v. ὀπά̂ων, was 5, 111 u. 112 in allen codd., so auch Φιλάονα, nicht Φιλέωνα, 8, 11; ferner ion. att. κυκεών (schon Homer, der Il. λ, 624. 641 Akkus. κυκειῶ) aus κυκάων, vgl. dor. κυκάν; ion. ξυνηών Hes. Th. 595. 601 u. ξυνεών (ξυνωνίη = κοινωνία Archiloch.), dor. ξυνάων u. ξυνάν Pind., att. ξυνών Soph., κοινών Xenoph. (κοινάν Pind.); ion. att. Ἀλκμέων f. Ἀλκμαίων, dor. Ἀλκμάν, daher Ἀλκμεωνίδης att. Inschr. (Meisterhans 28^{2}), vgl. Αλκμά̂ονα Il. μ, 394, Merzdorf, Curt. Stud. IX, 238. Herodian kennt Ξυπετεών -ῶνος, die att. Inschr. Ξυπεταιών, -όνος. Ferner att. νεώς von ναῦς St. νᾶϝ, für νᾶϝός; ion. freilich νεός, wie überhaupt der Genetiv auf εως dem gewöhnlichen Ionischen fremd ist.

Ferner gehören hierher: Ion. χρέωνται, χρεώμενος u. s. w. aus χρά̂ομαι, χρήομαι, s. § 251, 5, att. zusammengezogen in χρῶνται u. s. w., während für α^ο bei diesen Verben ion. vielfach εο erscheint, s. das. 3. Ion. ἑστεώς, ῶτος, τεθνεώς, ῶτος, bei Homer noch τεθνηώς, Hesiod ἑστηώς; att. kontr. ἑστώς, aber τεθνεώς, wiewohl Herodian. I, 351 auch τεθνώς kennt. Μετέωρος ion. att. für μετήορος ep.; in ἀπήωρος Hom. ist doppelte Länge, Brugmann, C. Stud. IV, 145; ἕως, τέως sind aus ἇος, τᾶος entstanden, wie dor. ἇς zeigt (τάως kret. nach Hesych., Nauck will τᾶος); bei Homer ist neben iambischem sowie einsilbigem ἕως, τέως auch εἵως, τείως überliefert, sowie ziemlich oft ἕως (seltene Var. εἷος) τέως wo das Metrum einen Trochäus fordert; die Neueren stellen hierfür und für εἵως, τείως mit Curtius (Rh. Mus. N. F. IV, 243 f.) ἧος τῆος her, und Nauck (Mél. II, 411 ff.) sucht auch einsilbiges sowie iambisches ἕως, τέως zu beseitigen. Doch kennt auch schon Herodian εἵως, während von ἧος niemand etwas weiss. Ludwich, Aristarch. II, 440 ff. ist für εἷος, τεῖος; auf Erklärung lässt er sich nicht ein. Über εω in der Augmentierung der Verba s. § 198, 6.

Indes ist das ion.-attische εω nicht auf den Fall beschränkt, dass dem ersteren Vokale ein α_ zu Grunde liegt. Im Attischen ist εως Genetivendung der Wörter auf εύς, entst. aus -ῆος, als βασιλῆος Hom., βασιλέως att. (βασιλέος ion.), sowie derer auf ις und υς, die das ι bezw. υ in der Flexion nicht beibehalten, als πόλεως, πήχεως; πόληος hat Homer, und darnach auch eine ionische Inschrift von Chios πόλεως (Röhl I, Gr. ant. 381, a, 13), während sonst der Ionismus nur -ος als Genetivendung kennt (πήχεος, wie auch νεός von νηῦς, s. o.). Die vermeintliche Regel für das Ionische (Merzdorf, Curt. Stud. IX, 226), wonach ηο aus ᾶο zu εω würde, ηο mit ursprünglichem e zu εο, wird durch πόλεως wie durch νεός erschüttert, und würde auch einen lange bestehenden Unterschied in der Aussprache des ionischen η voraussetzen, je nachdem dasselbe aus α_ hervorgegangen war oder nicht, welcher Unterschied für das Asiatisch-Ionische so wenig wie für das Attische angenommen werden kann. — Sodann ist die II. attische Deklination auch über solche Wörter ausgedehnt, wo der Endung ε oder ει (aus η, ηι, wie man annehmen muss) vorausging: att. ἀξιόχρεως (ion. -χρεος oder -χρεως?) von χρέος, χρεῖος, att. χρέως (χρήια = χρέα eine kret. Inschr.; vgl. unten § 141), πλέως ion. πλέος, Hom. πλεῖος, ἀρνεώς Widder, Hom. ἀρνειός, ἡμιέκτεων von ἑκτεύς u. s. w., s. § 114; auch ion. ἀρχιέρεως, ἱέρεως, s. §§ 111, 5. 114.

Viel weniger ausgedehnt ist der attische Übergang von ηα in εᾶ und von ηε in εη; er findet sich nämlich fast nur in der Flexion der Wörter auf εύς: βασιλῆα att. βασιλέᾶ, βασιλῆας att. βασιλέᾶς, βασιλῆες att. βασιλέης und daraus βασιλῆς. S. § 127, Anm. 5. Zu vergleichen ist attisch ἔκεα (nur im Partic. κέας, κέαντος belegt) aus Homer. ἔκηα: ἐκέᾶ zwar wird nicht gesagt sein (sondern ἔκαυσα), aber immerhin κέᾶντος, wiewohl ein Beweis für die Länge des α natürlich nicht vorliegt.

Anmerk. Über die Betonung bei Wörtern mit diesem εω s. § 79, 2. (Smyth 34)

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