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Eigentümlichkeiten der Mundarten in der Betonung.

Der asiatische Aeolismus unterscheidet sich in der Betonung von den übrigen Mundarten dadurch, dass er die letzte Silbe eines Wortes nicht betont, sondern den Accent nach dem Anfange des Wortes hin, soweit es die Quantität der Schlusssilbe gestattet, zurückzieht, mit Ausnahme der Präpositionen und Konjunktionen, deren Betonung von der gewöhnlichen nicht abweicht (weil sie in der That niemals oxytoniert werden); selbst einsilbige Wörter, die einen langen Vokal oder einen Diphthongen haben, unterliegen diesem Gesetze, indem sie Perispomena sind, statt Oxytona zu sein, als: Ζεῦς (aus Ζέὺς) st. Ζεύς (aus Ζὲύς).1) Bei Sappho wurde nach Ioann. Alex. 4, 28 (Herodian ed. Lentz I, 8. II, 309) sogar Μήδεϊα st. Μήδεια auf der viertletzten Silbe betont, indem die Auflösung des Diphthongs ει auf die Betonung nicht weiter einwirkte. Beispiele: I. Dekl. βόλλα = βουλή, δέρρα = δειρή, ὠτέλλα = ὠτειλή, Ἀφρόδιτα (Voc.) mit verkürzter Schlusssilbe st. Ἀφροδίτη; (aus Hom. gehören hierher die Masc. μητίετα = μητιέτης, ἀκάκητα = ἀκακήτης, εὐρύοπα = εὐρυόπης); II. Dekl. βῶμος = βωμός, θῦμος = θυμός, πόταμος = ποταμός, ναῦος = ναός; III. Dekl. κόπι^ς = κοπι?́ς, θύρι^ς = θυρι?́ς, ἄκις = ἀκι?́ς, ἄσπι^ς = ἀσπι?́ς, ἔροτις = ἑορτή; mit verkürzter Endsilbe: κνᾶμις = κνημί̂ς, σφρᾶγις = σφραγί̂ς; Ἀχίλλευς, Πήλευς, Ἄτρευς, G. Ἀχίλληος u. s. w. = Ἀχιλλεύς, έως u. s. w.; Λάτω, Σάπφω = Λητώ, Σαπφώ; αὔως = ἠώς; Ποσείδαν od. Ποτίδαν, obwohl die Endsilbe aus άων kontrahiert ist;2) Adj. σόφος, κάλος, λεῦκος, σκλῆρος, χῶλος, δύνατος = σοφός u. s. w., ἶρος = ἱερός; φάεννος = φαεινός; ὄξυς, βράδυς, βάρυς, τρᾶχυς = ὀξύς u. s. w.; δυσμένης = δυσμενής u. s. w.; Pron. ἔγων, ἔμοι u. s. w. = ἐγώ, ἐμοί u. s. w., ἄμμες, ὔμμες = ἡμεῖς, ὑμεῖς; αὖτος = αὐτός; Verb Inf. Perf. Pass. ἔφθορθαι; Partic. φρόνεις (vgl. att. τιθείς), γέλαις (vgl. att. ἱστάς), ὄρθοις (vgl. att. διδούς), u. s. w., durchgängig bei allen Wortklassen ausser den angegebenen. In dem einzigen bisher gefundenen handschriftlichen Fragment der Sappho (in Berlin befindlich) steht [κ]άλων κἄσλων = καλῶν καὶ ἐσθλὼν. Kein Zeugnis ist vorhanden für die Betonung des Gen. Pl. I. Dekl. (αν aus άων); wurde auch diese Form ohne Rücksicht auf die erfolgte Kontraktion barytoniert, so fiel sie mit dem Akk. Sing. völlig zusammen (ausser bei τᾶν τάν). Ahrens ist für θεᾶν, Bergk (zu Sapph. 1, 25) mehr für θέαν.3)

Der böotische Aeolismus4weicht, soweit wir wissen, von der gewöhnlichen Betonung nicht ab. Insbesondere sind Oxytona bezeugt: εὐγενείς = εὐγενής, ἱών = ἐγώ, βανά = γυνή. Das aus αι entstandene η verhindert nicht die Setzung des Accents auf der Antepaenultima: τύπτομη, ebensowenig das böotische υ_ aus οι: Ὅμηρυ (Choerob. Hdn. II, 352. 366).

Die dorische Mundart bildet in ihrer Betonung, die wir freilich nur bruchstückweise kennen, einen gewissen Gegensatz zu dem asiatischen Aeolismus, indem sie sogar noch mehr als das Attische den Ton dem Wortende zu nähern liebt.5) So oxytoniert sie nach An. Ox. I, 346, 16 das Wort φρατήρ st. φράτηρ; sodann die Wörter mit der aus αων kontrahierten Endsilbe αν, als: Ποτιδάν = Ποσειδάων, Ποσειδῶν, Ἀλκμάν = Ἀλκμάων, Ἀλκμαίων; ferner die einsilbigen Wörter, welche lesbisch und z. T. auch attisch perispomeniert sind, als: σκώρ = σκῶρ, γλαύξ = γλαῦξ, doch βῶς = βοῦς. Die Diphthonge αι und οι, welche in den übrigen Mundarten in der Deklination und Konjugation in Beziehung auf die Betonung als kurz betrachtet werden (§ 79, 1), behalten bei den Doriern grossenteils die Geltung ihrer natürlichen Länge; daher φιλοσόφοι, ἀγγέλοι, ἀνθρώποι, λεγομένοι; γεραὶτάτοι, ἐρογλεφάροὶ, μὴσὰμένοι (Papyrus des Alkman); so auch αι in der I. Dekl., obwohl dies die alten Grammatiker nicht besonders anführen, also: τραπέζαι st. τράπεζαι; αὐειρομέναι (Pap. Alkm.); ferner im Verb, wenigstens bei Properispomena, die im Dor. Paroxytona werden: ἀμύναι st. ἀμῦναι (Inf.), δραμείται st. δραμεῖται (Pap. des Alkman); προτιμάσαι (= -ῆσαι), ἀπαγγείλαι (Wiener Pap. des Epicharm). Dagegen die proparoxytonen Formen auf -αι bleiben auch dorisch so: μαρτύρεται Alkm.; vgl. Schol. Theokr. 1, 83. (Schol. A Il. β, 393 über ἐσσεῖται: προπερισταστέον τὸ ἐσσεῖται. οὐ γὰρ παροξυντέον, ὥς τινες, ἐπεὶ Δώριον [aus dem Grunde weil es dorisch sei]. ἤδη γὰρ πολλὴ χρῆσις τῶν τοιούτων παρὰ Ἀττικοῖς [z. B. πλευσεῖται, so dass die Form ἐσσεῖται nicht als dorisch angesehen zu werden braucht]. Vgl. Schol. Il. ν, 317.)6) — Die 3. Pers. Plur. der Praeterita des Aktivs wird von den Doriern paroxytoniert, nach Ahrens, indem sie die ursprüngliche Betonung, welche stattfand, als die Schlusssilbe noch auf οντ, αντ, εντ ausging und daher durch Position lang war, auch nachmals bewahrten, also: ἐφέρον, ἐλάβον, ἐλύσαν, ἐφάσαν, ἐφιλάθεν st. ἐφέροντ u. s. w., vgl. ferebant. — Paroxytona statt Properispomena sind bei den einsilbigen Stämmen der III. Dekl. (und bei γυνή) die Nominative des Plur. und Akkusative Sg. Plur., indem auch in diesen Kasus (vgl. παιδός -δί, dor. γλαύξ) der Ton dem Ende näher rückt: παίδα (Pap. des Alkman), παίδες, γυναίκες, χείρες, νάες, πτώκας (ὀρνίθες wird wohl fälschlich zugefügt). Der Alkmanpapyrus bietet noch ἐνθοίσα für ἐλθοῦσα (vgl. im Mask. ἐλθών), und im Infin. εἴμεν (ἤμεν) = εἶναι.

Von den dorischen oder dorisierenden Dichtern werden zuweilen im Akk. Pl. der I. und II. Dekl. statt der langen Schlusssilben ᾶς und ους die kurzen α^ς und ος gebraucht. In diesem Falle behält der Accent wahrscheinlich dieselbe Stelle, welche er dorisch im Nominative des Plurals nach Nr. 3 gehabt hat (ἀνθρώποι, ἀνθρώπος). Ist die betonte Paenultima lang, so schwanken die Handschriften zwischen dem Cirkumflexe und dem Akute; anzunehmen ist, dass die Dorier auch in diesem Falle (vgl. die unter 3) nach Kürzung der Schlusssilbe doch den Akut auf Paenultima beibehalten haben. I. Dekl. Ἁρπυίας Hes. Th. 267 (Gaisf. aus Codd. Ἅρπυιας, Reiz Ἁρπυῖας; der Nom. wurde aber nach Nr. 3 dorisch Ἁρπυίαι betont); πάσα^ς (Andere πᾶσας) Theokr. 1, 83. 4, 3 (Nom. dor. πάσαι, gewöhnl. πᾶσαι); Μοίρα^ς (Andere ΜοῖραςTheokr. 2, 160; τρωγοίσα^ς 9, 11 (Nom. dor. τρωγοίσαι); II. Dekl. κακαγόρος Pind. O. 1, 53 (85) st. κακαγόρους, Nom. S. κακάγορος; νάσος 2, 71 (127) st. νήσους; ἀμπέλος Theokr. 5, 109 st. ἀμπέλους, δασυκέρκος 112 st. δασυκέρκους, N. δασύκερκος, κανθάρος 114 st. κανθάρους, N. κάνθαρος. So bleibt auch wohl der Akut auf langer Paenultima im Nom. der Adjektive und Participien, welche im Dorischen auf α^ς st. ᾶς (G. αντος) und ες st. εις (G. εντος) ausgehen, als: πράξα^ς (v. πρά̂ττω), Αἴα^ς Alkm. 68, τιμήες st. τιμήεις. Desgleichen bleibt wohl in der 2. Pers. Sing. und im Inf. der Akut auf Paenultima, wenn die Dorier statt der Endungen εις und ειν die verkürzten ες und εν gebrauchen, als: Theokr. 1, 3 συρίσδες. 5, 7 ποππύσδεν. Alkm. frg. 1 ἀείδεν.

Den Gen. Plur. der Feminina von Adjektiven perispomenieren die Dorier wie bei den Substantiven, da er aus α-ων entstanden ist, als: ἀμφοτερᾶν, κυανεᾶν (von ἀμφότερος, κυάνεας), und ebenso den Gen. Pl. der Maskulina der Pronomina der II. Dekl., also: τουτῶν, τηνῶν, ἀλλῶν; bei den Substantiven und den Adjektiven hingegen geschieht dies nicht, als: λόγων, δικαίων. — Den Gen. Pl. der einsilbigen Stämme III. Dekl. perispomenieren die Dorier auch in den Wörtern, welche im Attischen den Akut auf Paenultima haben, als: παιδῶν, παντῶν, Τρωῶν, ausser in dem Fragpronomen τίς, das im G. Pl. τίνων lautete.

Die Betonung der Adverbien auf ως richtet sich, wie Apollon. de adv. p. 581 lehrt, nach der dorischen Betonung des Gen. Pl., als: παντῶς (παντῶν s. Nr. 5), οὑτῶς (τουτῶν), ἀλλῶς (ἀλλῶν), τηνῶς (τηνῶν), aber φίλως (φίλων), κούφως (κούφων). Jedoch die von Adjektiven auf ός sind Oxytona (Herodian L. I, 515 vgl. II, 932), wie καλώς, σοφώς (v. καλός, σοφός), so dass, wie Apollon. p. 580 sagt, ῥα κάλως bei dem Mimendichter Sophron so baryton lediglich κατ᾽ ἔγκλισιν ἀνεγνώσθη, statt καλώς, wie das Wort orthotoniert lautete.7) Ουδ᾽ ἁμὼς ὲῆι (οὐδαμῶς ἐᾷ) bietet der Papyrus des Alkman. Über ὅπως oder ὁπῶς ist Apollonius p. 584 in Zweifel. Die von Pronomina abgeleiteten Adverbien auf , ει, ω sind dorisch Perispomena, als: ἀλλᾷ, παντᾷ; τουτεῖ, hic, τηνεῖ, istic, τουτῶ, hinc, τηνῶ, istinc; so auch ἁμᾷ neben ἅμα^, κρυφᾷ, διχᾷ, τριχᾷ.

In betreff der attischen Mundart ist zu bemerken, dass die Properispomena τροπαῖον, γελοῖος, ὁμοῖος, ἑτοῖμος, ἐρῆμος, ἀχρεῖος der übrigen Mundarten und insbesondere der κοινή nach dem Zeugnisse der alten Grammatiker von den mittleren und jüngeren Attikern proparoxytoniert wurden, während die älteren Attiker (Thukydides, die Tragiker) die alte Betonung bewahrten.8) Mit Bezug auf γέλοιος wird auch wohl gelehrt, dass dies die attische, γελοῖος die hellenische Betonung sei (Moeris, Schol. Ar. Ran. 8); Andere wollen einen Bedeutungsunterschied machen. Ein solcher wird auch wohl zwischen ἀγροῖκος, ländlich und ἄγροικος, bäuerisch, ungesittet, von Grammatikern aufgestellt; indes richtiger wohl bezeichnet Thomas Mag. p. 40 R. ἄγροικος als attische Betonung, während ἀγροῖκος (aus ἀγρόϝοικος) die ursprüngliche gewesen sein muss. Attisch war auch ὀπτάνιον für ὀπτανεῖον. Es zeigt sich also in allem diesen ein Streben, den Accent von der vorletzten Silbe auf die drittletzte zurückzuziehen, und ganz das Gleiche ist der Fall beim Nom. Plur. der Substantive I. Dekl., wo die attische (jungattische) Betonung war αἴτιαι (von αἰτία), τιμώριαι, εὐπράξιαι, τραγῴδιαι, πέντε ἥμεραι, und analog jedenfalls bei allen auf α_, während ἐπ<*>στῆμαι wohl blieb. Vgl. § 107, 1. Ferner war attische Betonung: διέτης und die anderen Komposita mit ἔτος st. διετής u. s. w., στροῦθος f. στρουθός, βαῦνος (Ofen) f. βαυνός, μῶρος f. μωρός, πῆρος f. πηρός (Hdn. I, 190), πόνηρος μόχθηρος in der Bedeutung mühselig, elend f. πονηρός, μοχθηρός, s. § 144, A. 3, 1; ἄληθες adverbiell (wirklich?) s. § 148, Anm. 9, ähnlich χάριεν, s. § 145, VII, l; auch ἔγωγε, ἔμοιγε für ἐγώ γε, ἐμοί γε wird als attische Betonung bezeichnet (Hdn. II, 24 u. s.). Dagegen waren im Attischen oxyton einige Wörter auf -τής, -τοῦ, als ψαλτής f. ψάλτης, s. § 107, 4, e, und einige auf -τής, τῆτος: τραχυτής κουφοτής st. τραχύτης κουφότης (§ 134, 6, l).(Smyth 162)

1 S. Ahrens, Dial. I, p. 10 sqq.; Meister, Gr. D. I, 31 ff.

2 So Choeroboskos (Lentz zu Hdn. II, 916) und Etymolog. Gud. 476, 59, während nach Herodians eigenen Worten (a. a. O.) die Sache zweifelhaft bleibt und die Hdschr. sogar Ποσειδᾶν bietet.

3 S. auch Hdn. I, 425 (II, 369): ὅτε κατὰ διάλεκτον γενικὴ τροπὴν ὑπομένει τοῦ ων εἰς αν, περισπᾶται, κυανεᾶν, ἀμφοτερᾶν; es ist kein Dialekt ausgenommen. Ahrens, Dial. I, p. 166 sqq.; Meister, Gr. Dial. I, S. 213 f.

4 <*>

5 S. Ahrens, Dial. II, p. 26 sqq.; Meister, zur griechischen Dialektologie, Progr. (Leipzig) Göttingen 1883, S. 1 ff.

6 Der Wiener Pap. des Epicharm (s. Fleckeis. Jahrb. 1889, 257) bietet επευξασθαι) ohne Accent, das heisst doch mit gewöhnlicher Betonung; Z. 1 aber λεξοῦ[μαι] anscheinend mit Cirkumflex, was der Ausdehnung der obigen Regel auf -μαι widersprechen würde. In der That sagt auch der Schol. des Theokr. (Ahrens, Bucol. II, 9), dass dem attischen κείσομαι ein dorisches κεισοῦμαι, κεισεῦμαι mit Cirkumflex gegenüberstehe. Meister, C. St. IV, 365.

7 Im Citate hat Bk. (Hdschr.) κάλως; vgl. die ἐγκλινόμενα wie ἥμιν; Ahrens und Schneider schreiben καλώς, gegen den Sinn.

8 Vgl. Ael. Dionys. b. Eustath., p. 205, 44; Poppo ad Thuc. I, 1, p. 213 sq.; Schneider ad Plat. Civ. T. II, p. 14; Ellendt, Lex. Soph. unter τροπαῖον, ὁμοῖος, ἑτοῖμος, ἐρῆμος, der überall bei den Tragikern auch gegen die Codd. die properisp. Formen hergestellt wissen will; Dindorf im Thess.

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