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6. b) Diphthonge.

Sämtliche Diphthonge (αἱ δίφθογγοι scil. συλλαβαί1), mit Ausnahme von υι, sind aus der Verschmelzung eines der Vokale α, ε, η, ο, ω mit ι oder υ (im Werte von u) zu einem Mischlaute entstanden, als:

α + ι = αι, als: αἴξ α + υ = αυ, als: παύω
ε + ι = ει, als: δεινός ε + υ = ευ, als: ῥεῦμα
ο + ι = οι, als: κοινός ο + υ = ου, als: βοῦς
α_ + ι = , als: δᾴς η + υ = ηυ, als: ηὖξον (im Augmente)
η + ι = , als: λῃστής
ω + ι = , als: ᾠδή ω + υ = ωυ, als: ἑωυτοῦ. Der

Diphthong ωυ findet sich im Attischen nur in der Krasis, und auch da selten (ωὐριπίδη Εὐριπίδη Aristoph. Thesm. 4, πρωυδᾶν προαυδᾶν Av. 556); auch im Ionischen, wo er mehr hervortritt, ist in den sichern Fällen Krasis der Entstehungsgrund (ἑωυτοῦ aus ἕο αὐτοῦ), und ebenso im Dorischen (ωὑτός Theokr. 11, 34, s. Ahrens II, 222).

Ist der erste Vokal ein langes α oder ein η oder ein ω, so wurde das in älterer Zeit daneben gesetzte (προσγραφόμενον, iota adscriptum) ι in der Minuskelschrift seit dem 12. Jahrh. unter den langen Vokal gesetzt (iota subscriptum, ἔχει τὸ ι ὑποκάτω γραφόμενον Theodos. 108).2) Bei der Unzialschrift jedoch wird das ι immer noch neben den ersten Vokal gesetzt; ΑΙ, ΗΙ, ΩΙ, Αι, Ηι, Ωι, als: ΤΗΙ ΧΩΡΑΙ, ΤΩΙ ΚΑΛΩΙ.

In dem Diphthongen υι vereinigen sich υ (ursprünglich und dialektisch u, gew. ü) und ι zu einer Silbe, doch geschieht dies in der gewöhnlichen Sprache nur vor Vokalen, als: μυῖα, ἅρπυια. Vor Konsonanten kommt υι auch in Dialekten fast gar nicht vor, eher am Ende, wie in den Dativen ἰξυῖ (Hom.), Δέρμυι (böot. Inschr., Dial.- Inschr. 875).

Anmerk. 1. Da die Vokale α, ε, η, ο, ω bei den Diphthongen dem ι und υ vorangehen, so werden sie προτακτικά, ι und υ hingegen ὑποτακτικά genannt; in dem Diphthonge υι ist jedoch υ προτακτικόν. S. Dionys. Thr. in Bekk. Anecd. Il, p. 631, Schol. ad Dionys. Gr. ib. II, p. 801, Theodos. Canon. ib. III, p. 1187, wo der merkwürdige Schluss gemacht wird: εἰ ἄρα οὖν τὸ ι καὶ τοῦ ὑποτακτικοῦ ὑποτακτικόν ἐστι, δῆλον, ὅτι ἀσθενέστερόν ἐστι πάντων τῶν φωνηέντων. — Dass , , ursprünglich Diphthonge waren, später aber zu Einzellauten herabsanken, haben wir § 3 gesehen. Über die zwiefache Entstehung von ου s. oben § 2, 6; das. über die entsprechend zwiefache von ει.

Anmerk. 2. Inschriften und Handschriften (insonderheit die Volumina Herculanensia) aus der römischen Zeit verwenden, wie wir oben sahen (§ 3, 9) das ει als Bezeichnung jedes langen ι: πολείτης, μεισεῖν, μειμεῖσθαι. Dass gelegentlich ein ει für ι^ aus Unkunde oder Versehen mit unterläuft, kann den Nutzen nicht hindern, den wir aus dieser Schreibung für die Erkenntnis der Quantität ziehen; denn wo sie häufig und stehend wiederkehrt, wie in πείπτω st. πίπτω, ἔτρειψα st. ἔτριψα, ist der Schluss auf Länge des ι berechtigt und sicher.3)

Anmerk. 3. Unter allen Diphthongen müssen οι und αι für die kürzesten gelten, da sie rein, d. h. ohne antretenden Konsonanten auslautend, in Beziehung auf die Betonung in der Flexion (mit Ausnahme des Optativs) und in den Adverbien πρόπαλαι und ἔκπαλαι als kurz behandelt werden, als: τράπεζαι, γλῶσσαι, τύπτεται, ἄνθρωποι, οἶκοι (die Häuser, zu unterscheiden von dem Adverb οἴκοι, zu Hause, domi). Sodann sind αι und οι die einzigen Diphthonge, welche in der Dichtersprache elisionsfähig sind.

Anmerk. 4. In den Diphthongen αυ und υι kann, a priori betrachtet, der erste Vokal entweder kurz oder lang sein, und man kann somit, einschliesslich des ᾶυ und des ῦι, zu der Zahl von 14 Diphthongen gelangen.4) Nachweisbar ist indes weder ᾶυ noch ῦι; im Gegenteil finden wir im Attischen ναῦς für das ionische νηῦς mit offenbar kurzem α; denn das lange hätte zu η werden müssen. Erscheint aber hier für ᾶυ α^υ, so wird auch im attischen γραῦς, wo ρ ein α_ schützen würde, vielmehr α^ gesprochen worden sein. Ganz unklar bleibt die Quantität in dem dorischen αὖξον, att. ηὖξον.

Die alten Grammatiker (Choeroboskus in Bekkeri Anecd. III. p. 1214 sq., Theodosius p. 34 sq. ed. Göttl., die Scholien ad Dionys. Thrac. in Bekk. An. II. p. 804, Moschopulus p. 24 sq. ed. Titze, die aber alle aus einer Quelle geschöpft zu haben scheinen, teilen die Diphthonge in folgende Klassen ein:

a) δίφθογγοι κατ᾽ ἐπικράτειαν, d. h. solche, in welchen der eine Vokal ein solches Übergewicht über den anderen hat, dass er allein gehört wird, der andere ἀνεκφώνητον ist, nämlich , , , als: Μηδείᾳ, Ἑλένῃ, καλῷ. So lehrt Choeroboskus; die anderen Grammatiker fügen noch ει hinzu, als: Νεῖλος. Es ist dies gemäss der Aussprache in römischer Zeit, wo das ι in , , verstummt, das ει zu ī˙ geworden war.

b) δίφθογγοι κατὰ κρᾶσιν, d. h. solche, in welchen die beiden Vokale zu einem Mischlaute verschmelzen und Einen Laut bilden, der zu beiden Vokalen stimmt (ἁρμόζει), nämlich: αυ, ευ, ου, als: αὐλός, εὔχομαι, οὗτος.

c) δίφθογγοι κατὰ διέξοδον, d. h. solche, in welchen der Laut beider Vokale getrennt (χωρίς) gehört wird, nämlich: ηυ, ωυ, υι, als: νηυσίν, ἑωυτοῦ, υἱός.

d) Die Diphthonge αι und οι werden als besondere, zu keiner der angegebenen Klassen gehörige angeführt. Choeroboskus, mit dem die Anderen übereinstimmen, sagt: ἐπειδὴ οὖν αι δίφθογγος ἐκφωνουῦσα τὸ ι καὶ οι δίφθογγος οὔτε κατ᾽ ἐπικράτειάν εἰσιν οὔτε κατὰ διέξοδον οὔτε κατὰ κρᾶσιν, ὥσπερ ἐστερήθησαν τοῦ ἰδιώματος τῶν διφθόγγων, ἐστερήθησαν καὶ τοῦ χρόνου τοῦ παρεπομένου ταῖς διφθόγγοις, καὶ τούτου χάριν αὗται μόναι ἐκ τῶν διφθόγγων τῷ τονικῷ παραγγέλματι ἀντὶ κοινῆς παραλαμβάνονται καὶ πρὸς ἕνα ἥμισυν χρόνον ἔχουσιν. Der Grund, weshalb die Grammatiker die Diphthonge αι und οι nicht zu den διφθόγγοις κατὰ κρᾶσιν gerechnet und ihnen sogar die Eigentümlichkeit der Diphthonge abgesprochen haben, scheint kein anderer zu sein, als weil dieselben in Beziehung auf die Betonung als kurz angesehen werden.

Anmerk. 5. Nach Theodosius (Gramm. p. 35) werden die Diphthonge eingeteilt a) in eigentliche (κύριαι): αι, αυ, ει, ευ, οι, ου, und in uneigentliche (καταχρηστικαί): , , , υι, ηυ, ωυ, wahrscheinlich, weil bei diesen nicht beide Laute zu einem Mischlaute verschmelzen, sondern entweder (, , ) nur der eine, oder (υι, ηυ, ωυ) beide in einer Silbe gehört werden. Diese Einteilung kann älteren Ursprungs sein, da ει in der Reihe der eigentlichen erscheint. In den Scholien ad Dionys. Thr. (Bekk. Anecd. II, p. 803) werden αι, αυ, ει, ευ, οι, ου εὔφωνοι, ηυ, ωυ, υι κακόφωνοι und , , ἄφωνοι genannt. Eine andere Dreiteilung, der im Text gegebenen ziemlich entsprechend, findet sich bei dem Musiker Aristides Quintilianus (p. 29 Jahn, 44 Meibom): αἱ δίφθ., ἃς ἤτοι κατὰ κρᾶσιν κατὰ συμπλοκὴν κατ᾽ ἐπικράτειαν γίγνεσθαί φαμεν. Es wird indes nicht ganz klar, in welcher Weise die Diphthonge sich in diese drei Klassen verteilen. Zu vermuten steht, dass in der ursprünglichen Theorie der Musiker, welche sich von Alters her mit der Lehre von den Sprachlauten beschäftigten (Plat. Cratyl. 424 C), nur δίφθ. κατὰ κρ. u. συμπλοκήν unterschieden wurden, indem die ἐπικράτεια bei u. s. w. erst viel später eintrat, ja auch nachmals von den Musikern geleugnet wurde (s. oben § 3, 13 Anm. 1). Beim eigentlichen Diphthonge lautet die Stimme während der Bewegung aus einer Vokalstellung in die andere und nur während dieser Bewegung, so dass eine wirkliche Mischung (κρᾶσις) ist wie zwischen Wasser und Wein; bei uneigentlichen Diphthongen dagegen bestehen die Laute neben einander, wie in einer Verflechtung (συμπλοκή). S. Rumpelt, das natürliche System der Sprachlaute, S. 47. (Smyth 5, 6, 25)

1 Das Wort δίφθογγος zeigt schon durch sein Genus an, dass es eig. Adjektiv und dass ein weibliches Substantiv zu ergänzen sei; nun werden aber die Diphthonge sowohl von Griechen (τὴν ου συλλαβήν Dionysios Hal. oben § 3, 14 gg. E.) als von Lateinern (ae syllaba Quint. I, 7, 18) öfters συλλαβαί syllabae genannt, und es ist daher dieses Wort als ursprünglich zu ergänzen anzunehmen. Vgl. Theodos. p. 34: συλλαβὴ ἐκ φωνηέντων δύο συνεστηκυῖα δίφθογγος καλεῖται, was dann damit gerechtfertigt wird, dass im eig. Sinne (κυρίως) die Bezeichnung φθόγγος nur den Vokalen zukomme.

2 Eine den Übergang von ι adscriptum zum ι subscriptum anzeigende Schreibweise ist die, wo der Buchstabe zwar seitwärts, aber entweder höher oder tiefer als die Zeile gesetzt wird, als α^{ι}, {ι}. S. Gardthausen, Gr. Palaeogr., S. 193. 203.

3 Vgl. Dittenberger in Hermes I, S. 415; A. von Bamberg, Zeitschr. f. Gymnasialwesen 1874, S. 13 ff.

4 Die Theorie der 14 Diphthonge entwickelt G. Hermann, de emend. rat. graecae gramm., p. 49 sqq.

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