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Veränderung und Wanderung des Tones im Zusammenhange der Rede.

Vorbemerk. In dem Zusammenhange der Rede musste sich die Betonung der Wörter in mehrfacher Hinsicht anders gestalten, als wir sie bei dem aus dem organischen Verbande der lebendigen Rede gelösten und für sich betrachteten Worte gesehen haben. Es springt von selbst in die Augen, dass gewisse Sprachteile, welche in der Rede eine so untergeordnete Rolle spielen, dass sie sich aller Selbständigkeit begeben und sich an ein anderes Wort eng anschliessend mit demselben gewissermassen verschmelzen, auch ihren Ton entweder einfach verlieren oder dem Worte, mit dem sie vereint sind, verleihen. Jedoch haben die alten Grammatiker diese Abhängigkeit gewisser Wörter von anderen nur zum Teil auch äusserlich bezeichnet, und indem die anderen Fälle dem eigenen Gefühle der Leser überlassen bleiben, werden alle übrigen Wörter, mögen sie auch in dem Verhältnisse gänzlicher Abhängigkeit zu anderen Sprachteilen stehen, wie z. B. die Präpositionen zu ihrem Substantive, mit einem Accente versehen. Ausserdem erzeugt der Zusammenhang der Rede auch noch einige andere Modifikationen der Betonung, die wir jetzt der Reihe nach erörtern wollen.

I. Gravis statt des Akutus.

In dem Zusammenhange der Rede erhalten die Oxytona das Zeichen des Gravis, d. h. der geschärfte Ton wird durch die enge Anschliessung an ein anderes Wort geschwächt oder gedämpft (κοιμίζεται Arcad. p. 140, 9, vgl. Apollon. Pr. 44a, Choerob. Bk. An. p. 707 u. a. St.); vor jeder Interpunktion aber, durch welche eine wirkliche Trennung des Gedankens bewirkt wird, muss der Akut wieder eintreten; vgl. Bekk. An. II. p. 689. 680. Choerob. ib. p. 707; so z. B. bei beigeordneten Hauptsätzen, bei Nebensätzen, als:

Κῦρος μὲν ἐπέρασε τὸν ποταμόν, οἱ δὲ πολέμιοι ἀπέφυγον. Πάντες οὗτοι νόμοι εἰσίν, οὓς τὸ πλῆθος ἔγραψεν.

Ausnahme: τίς, τί, quis? quid? bleibt immer oxytoniert, indem das Fragewort auch im Zusammenhange der Rede seinen Ton nicht ändern kann.

Anmerk. 1. Wenn ein Oxytonon mit den übrigen Worten nicht innerlich verbunden ist, z. B. wenn dasselbe als blosses Wortgebilde betrachtet wird; so bleibt der Akut, als: εἰ τὸ μή λέγεις, das Wort μή; τὸ ἀνήρ ὄνομα.

Anmerk. 2. Zu Aristoteles' Zeit scheint man nicht nur von dieser Regel nichts gewusst, sondern auch von der Erscheinung nichts wanrgenommen zu haben. Denn wenn ihm (s. § 77, Anm. 3) οὐ in οὐ καταλύεις, οὐ καταπύθεται einen höheren Ton hat als οὗ in οὗ καταλ. (καταπ.), so ist nicht möglich, anders als οὔ καταλύεις zu accentuieren. Ebenso besteht nach Plato (Cratyl. 399 A) der Unterschied zwischen Διὶ φίλος und Δίφιλος in der Tilgung des einen ι und in der Barytonierung des φι; also vorher Διί φίλος. Darnach möchte diese ganze Betonungsweise erst alexandrinisch sein.

II. Krasis. — III. Aphäresis. — IV. Elision.

Krasis (§ 61). Da durch die Krasis zwei Wörter zu Einem verbunden werden, so können die so verbundenen Wörter nur Einen Accent haben. Der Accent des ersteren Wortes, als des untergeordneten, fällt weg, und der des letzteren, als des wichtigeren, bleibt, und zwar auf derselben Stelle, als: τὰ ἀγαθά = τὰγαθά, τοῦ οὐρανοῦ = τοὐρανοῦ, τῇ ἡμέρᾳ = θἠμέρᾳ, τὸ ὄνομα = τοὔνομα, ἄνθρωπε = ὤνθρωπε, τύχῃ ἀγαθῇ = τυχἀγαθῇ Ar. Av. 436 (bei welcher Krasis besonderer Art indes unmöglich τύχη seinen Hochton ganz verloren haben kann, weshalb die Schreibung τύχἀγαθῇ berechtigt ist). Wenn das zweite Wort ein zweisilbiges Paroxytonon mit kurzer Endsilbe ist, so geht der Akut nach der allgemeinen Regel (§ 78, 5) in den Cirkumflex über, als: τὸ ἔπος = τοὖπος, τὰ ἄλλα = τἆλλα, ὦλλοι (Zenodot Il. b, 1. κ, 1) ion. = οἱ ἄλλοι, τὸ ἔργον = τοὖργον, τὰ ἔργα = τἆργα, τὰ ὅπλα = θὦπλα, καὶ ὅσα = χὦσα. Bei der Krasis mit einsilbigem zweiten Worte bleibt dessen Accent: τοι ἄν τἄν, καὶ ἄν κἄν, καὶ ἐν κἀν (§ 87); auch nach den Kontraktionsregeln wird aus barytoner und oxytoner Silbe im Wortausgang eine oxytone, § 83.

Anmerk. 3. Wenn eine Enklitika mit einem folgenden Worte eine Krasis bildet, als: τοὶ ἄρα = τἆρα; so hört sie auf eine Enklitika zu sein und kann daher auch nicht mehr auf die Betonung des vorangehenden Wortes einwirken, als: δεινὰ τἆρα πείσομαι Ar. Ach. 323 (nicht δεινά τἆρα.1)

Anmerk. 4. Wolf (Litt. Analekt. II, S. 434) macht einen Unterschied zwischen einem langen Vokale und einem Diphthongen, indem er das Wort als Paroxytonon schreibt, wenn durch die Krasis bloss ein langer Vokal entsteht, als: τἄργα, τἄνδον, κἄτι, χἄμα, als Properispomenon hingegen, wenn durch die Krasis ein Diphthong entsteht, oder das zweite Wort schon vor der Krasis ein Properispomenon war, als: τοὖργον, τοὖψον, κᾆτα, κᾦνος. Da aber ein solcher Unterschied der Betonung bei der Kontraktion nicht stattfindet, sondern der durch Kontraktion entstandene lange Vokal dem durch Kontraktion entstandenen Diphthongen ganz gleichgeachtet wird; so darf auch auch bei der Krasis ein solcher Unterschied nicht gemacht werden.2) Vorschriften der Grammatiker mangeln für diesen Fall; denn die Beschränkung ἐν ἑνὶ μέρει λόγου bei der Vorschrift über die Properispomena (Choer. Bk. An. 1161. 1235) geht auf Fälle wie Ζεύς γε, wo Akut bleibt. In den Handschriften herrscht ein grosses Schwanken zwischen beiden Schreibarten: der Parisinus S des Demosthenes hat τᾶλλα; der Oxon. des Plato schwankt zwischen τᾶλλα (meist), τ᾽ ἀλλα, τ᾽ αλλα, τάλλα.3) Bei der Krasis mit Pronomina und Konjunktionen scheint die Paroxytonesis in den Handschriften vorherrschend zu sein, als: τἄρα, κοὔτε, χοἴδε, χὤτι, χὤτε, χὤταν, χὤσον, χὤστις u. dergl.4) Man betont nicht οὖτε und auch nicht κοὖ, also auch nicht κοὖτε; für χοἴδε muss χοἶδε eintreten, da nach den Alten auch οἷδε zu betonen; χὤτι, χὤστις sind durch ἥτις gerechtfertigt; für χὤτε, χὤταν, χὤσον statt χὦτε u. s. w. möchte sich schwer eine Rechtfertigung finden.

In betreff der Aphäresis (§ 64) ist zu bemerken, dass, wenn das zweite Wort die Accentsilbe verloren hat, das vorangehende Wort nicht mit dem Gravis, d. h. dem gedämpften Akute, sondern mit dem Akute zu schreiben ist. S. Ant. 446 μή ᾿θιγες. Ai. 742 μή ᾿ξω. Ar. Eq. 632 ὅτε δή ᾿γνων. Vesp. 665 τρέπεται δή ᾿πειτα. Eq. 1106 μή ᾿σθιε. Im Übrigen tritt in der Betonung sowohl des vorangehenden als des nachfolgenden Wortes keine Veränderung ein.

Elision (§ 53). Hier gilt die Regel: Der Accent des elidierten Vokals geht als Akut auf die vorhergehende Silbe. Doch scheint, in Fällen wo diese naturlang, Herodian selbst geschwankt zu haben (Hdn. II, 73), ob nicht Cirkumflex zu setzen sei, also δεῖλ̓ statt δειλά. Ist aber das apostrophierte Wort eine elisionsfähige Präposition oder eine der Konjunktionen: ἀλλ|ά, οὐδέ, μηδέ, ἠδέ (Hom.), ἰδέ, oder eine der Encliticae: τινά und ποτέ, wenn sie ihrer Stellung nach nicht inklinationsfähig sind; so geht der Accent des elidierten Vokals gänzlich verloren, ebenso, wenn der betonte Vokal von einsilbigen Wörtern elidiert ist, als:

πολλὰ ἔπαθον = πόλλ᾽ ἔπαθον παρὰ ἐμοῦ = παρ᾽ ἐμοῦ
δεινὰ ἐρωτᾷς = δείν᾽ ἐρωτᾷς ἀπὸ ἑαυτοῦ = αφ᾽ ἑαυτοῦ
φημὶ ἐγῴ = φήμ᾽ ἐγώ ἀλλὰ ἐγώ = ἀλλ᾽ ἐγώ
αἰσχρὰ ἔλεξας = αἴσχρ᾽ ἔλεξας οὐδὲ ἐγώ = οὐδ᾽ ἐγώ
ἑπτά ἦσαν = ἕπτ᾽ ἦσαν δὲ ὅς = δ̓ ὅς

Il. α, 490 sq. οὔτε ποτ᾽ εἰς ἀγορὴν πωλέσκετο . ., οὔτε ποτ᾽ ἐς πόλεμον. Ar. Vesp. 1182 οὕτω ποτ᾽ ἦν. S. El. 542 Ἅιδης τιν᾽ ἵμερον . . ἔσχε Il. b, 118 ἠδ᾽ ἔτι. Der Grund, weshalb die Präpositionen ihren Accent verlieren, ist der, dass sie in der Stellung vor dem Substantiv einen Hochton gar nicht haben, sondern sich unselbständig an das folgende Wort anschliessen, ebenso wie auch die angeführten Konjunktionen; τινά und ποτέ aber würden mit zurückgezogenem Tone τίν̓, πότ̓ die Form der Interrogative annehmen.

1 S. Göttling, Accentl., S. 385.

2 S. Göttling, Accentl., S. 384 ff. und ad Theodos. p. 222 sq.; Mehlhorn, Gr. 97 f., der zw. τἄλλα und τἆλλα schwankt.

3 Voemel, Dem. Cont. p. 17; Schanz, Novae comment. Platon. p. 99. (Schneider ad Plat. Civ. I, 333, d. VI, 484, d. 505, a zweimal. Spitzner ad. Il. α, 465.)

4 Göttl. S. 384.

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