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a. Satz- oder Interpunktionszeichen.1

Die Lehre von der Interpunktion oder Zeichensetzung, durch welche sowohl das Verhältnis ganzer Sätze zu einander, als die Gliederung innerhalb des Satzes vermittelst gewisser Schriftzeichen angegeben wird, ist erst von den alexandrinischen und späteren Grammatikern mehr ausgebildet worden. Auf alten Inschriften2) finden sich zwar auch Zeichen, welche unseren Interpunktionszeichen äusserlich gleich sind, nämlich zwei Punkte (:), oder auch drei (<*>), selten einer (.), oder ein senkrechter Strich (|), aber sie haben keine andere Bedeutung, als dass sie, bei der sonst angewandten scriptio continua, gewisse Wörter von einander trennen. Es sind auch nur die älteren Inschriften, in denen sich diese, auf lateinischen Inschriften fast stets geübte Worttrennung findet; dazu hat auch von den älteren die Mehrzahl keine solche Trennung, und wo sie vorkommt, ist sie meist wenig konsequent geübt. Die Präpositionen aber, der Artikel und die verbindenden Konjunktionen werden von dem folgenden Worte nie durch ein Zeichen getrennt. Ein Beispiel sehr regelmässiger Worttrennung giebt eine Inschrift aus Unteritalien (Röhl, Inscr. Gr. antiquissimae nr. 544), in welcher, gleichwie in Rom, der einfache Punkt angewendet ist: Θεός. τύχα. Σαῶτις. δίδωτι. Σικαινίᾳ. τὰνϝοικίαν. καὶτἆλλα. πάντα u. s. f. — Wollte man Abschnitte trennen, so setzte man die Zeile ab, und verstärkte dies auch wohl durch einen der schliessenden Zeile zu Anfang untergesetzten wagerechten Strich. Dieser Strich ist dann auch in Handschriften vielfach angewendet worden, und zwar so, dass das Absetzen der Zeile unterblieb und nur ein kleiner Zwischenraum gemacht wurde; der Strich hiess παράγραφος (näml. γραμμή), oder παραγραφή (Aristotel. Rhet. III. c. 8). Wir finden diese Interpunktionsweise in den herkulanensischen Rollen, in dem grösseren Papyrus des Hypereides u. s. w. Daneben ist indes auch das Setzen von Punkten zur Trennung der Sätze bereits zu Aristoteles' Zeit üblich gewesen; denn derselbe spricht vom διαστίζειν = interpungere (Rhetor. III c. 5), mit Bezug auf die Schrift des Heraklit, bei der das Interpungieren wegen der vielfältigen Undeutlichkeit der Konstruktion eine schwierige Sache sei.

Aristophanes von Byzantium, der berühmte alexandrinische Grammatiker, soll zuerst ein künstlicheres System mit drei Satzzeichen erfunden haben;3) sie heissen a) τελεία στιγμή, ein Punkt κατὰ τὴν κεφαλὴν τοῦ στοιχείου (Arcad. p. 189, vgl. Bk. An. II, 760), z. B. καλός: b) ὑποστιγμή, ein Punkt ὑπὸ τῇ βάσει τοῦ στοιχείου, z. B. καλός. c) μέση στιγμή, ein Punkt in der Mitte des Buchstaben, z. B. ΚΑΛΟΣ. Eine Erklärung dieser Zeichen giebt uns Dionysius Thrax in Bekk. Anecd. II. 630 (vgl. Schol. p. 758 sqq.), woraus wir ersehen, dass die τελεία στιγμή unserem Punkte entspricht (σημεῖον διανοίας ἀπηρτισμένης d. i. πεπληρωμένης); die ὑποστιγμή entspricht unserem Komma vor Nachsätzen (σημεῖον ἐννοίας μηδέπω ἀπηρτισμένης, ἀλλ᾽ ἔτι ἐνδεούσης, nach Schol. p. 759, ὥσπερ ἐὰν εἴπωὃν θέλω”, was offenbar unvollständig ist); die μέση στιγμή ist σύμβολον τιθέμενον ἕνεκεν τοῦ ἀναπνεῦσαι ἡμᾶς, ὅταν πολύλεξίς ἐστιν λόγος καὶ μὴ δυνάμεθα ἀπνευστὶ αὐτὸν εἰπεῖν (vgl. Arcad. p. 189 sq.); sie ist also kein eigentliches Satzzeichen. Doch nach Bekk. An. II, p. 760 entspricht die μέση στ. unserem Komma vor Nebensätzen, z. Bsp. α, 36 vor τὸν ἠΰκομος τέκε Λητώ. Nikanor,4) der Grammatiker unter Hadrian, erhob die Zahl der Interpunktionszeichen auf acht: τελεία, ὑποτελεία, πρώτη ἄνω, δευτέρα ἄνω, τρίτη ἄνω, ὑποστιγμὴ ἐνυπόκριτος, ὑπ. ἀνυπόκριτος, ὑποδιαστολή (Bachmanni Anecd. II. p. 316. Zonaras unter στιγμή. Bekk. An. II. p. 763 sqq. Moschopul. p. 42 sq. ed. Titze), und interpungierte darnach den Homer. Eine ausgedehntere Anwendung hat dies System durchaus nicht gefunden; die ältesten Pergamenthandschriften, der Sinaitikus und Vatikanus der Bibel, haben gar keine Interpunktion, und wo sie dann auftritt, ist es der Punkt oder ein System von 2 oder jenes von 3 Punkten, bis dann im 9. und 10. Jahrhundert sich auch das Komma und das Fragezeichen (;) einstellt.5) Das Ausrufungszeichen ist erst von Fr. A. Wolf in seiner Ausgabe des Homer eingeführt worden, und wird auch jetzt von den meisten Herausgebern nicht angewandt.

Anmerk. Über die Grundsätze, welche die Alten in der Interpunktion befolgt haben, sind unsere Kenntnisse sehr unvollständig; am meisten Material bieten die Homerscholien (Nikanor). Im allgemeinen bestätigt sich, was von vornherein anzunehmen, dass die Grundsätze dieselben waren wie die, welche wir anwenden; nur dass wir der grammatischen Zusammengehörigkeit vielfältig Rechnung tragen, während die antike Interpunktion die natürlichen Pausen des Vortrags wiedergeben sollte. Insofern aber jede Sprache in der Satzbildung, sowie in der Satz- und Wortstellung gewisse Eigentümlichkeiten hat, so hat sie auch in der ihr angemessenen Interpunktion gewisse Eigentümlichkeiten. Und dies gilt in vorzüglich hohem Grade von der griechischen Sprache, welche die freieste Satz- und Wortstellung hat und so reich an Konstruktionen ist, in welchen zwei Satzglieder durch Attraktion in eines verschmolzen oder die Hauptsätze mit den Nebensätzen verschränkt sind. Wollte man in solchen Fällen unsere Interpunktionsweise anwenden, so würde man dem Sprachgeiste die grösste Gewalt anthun, wie z. B. in P. Phaed. 70a ( ψυχὴ) ἀπηλλαγμένη τούτων τῶν κακῶν ὡν σὺ νῦν δὴ διῆλθες. Die Wortstellung ist namentlich bei den Dichtern bisweilen von der Art, dass sie aller Interpunktion spottet, wie S. Ant. 750 ταύτην ποτ᾽ οὐκ ἔσθ᾽ ὡς ἔτι ζῶσαν γαμεῖς. Doch dieser Gegenstand gehört der Syntax an; einige höchst auffallende Beispiele von Wortstellungen, welche unsere Interpunktionsweise gänzlich verschmähen, haben wir schon oben in der Lehre von den Encliticis (§§ 89, A. 7. 90, A. 3) gesehen. Aber von diesen Eigentümlichkeiten der griechischen Sprache abgesehen, stimmt die griechische Interpunktionsweise mit der unsrigen vielfältig überein. So z. B. lehren die alten Grammatiker (Scholia ad Dionys. in Bekk. An. II, p. 759 sqq.; Herodian. ib. III, p. 1144), dass vor Nebensätzen, am Ende des Vordersatzes, nach dem Vokative, selbst nach Participien, welche Nebensätze vertreten, interpungiert wurde.(Smyth 188)

1 Vgl. K. E. A. Schmidt, Beitr. S. 506—570.

2 B. Kaiser, de inscr. Gr. interp., Diss. Berl. 1887.

3 S. Fischer ad Velleri gr. I, p. 228; Schmidt, Beitr. S. 571 ff.

4 Nicanoris περὶ Ἰλιακῆς στιγμῆς reliquiae emend. ed. L. Friedlaender 1850. Nic. π. Ὀδυσσειακῆς στιγμῆς ed. O. Carnuth, Berlin 1875.

5 Gardthausen, Gr. Palaeogr., S. 276. Über die Interpunktion mehrerer Handschriften Homers s. Hoffmann XXI. und XXII. B. der Ilias, I, S. 89 ff., und über die Interpunktion in den Handschriften der Bibel s. Lipsius, Gramm. Unters. über die bibl. Gräc., S. 67 ff.

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